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Imperialismus heute
"Der Arglose hält es in dieser Welt notwendig mit den Henkern, und dementsprechend reagiert auch das allgemeine Bewußtsein, die Schule, die Zeitung, die Wissenschaft, kurz der objektiver Geist in seinen Funktionen und Funktionären - beileibe nicht mit heuchlerischer Überlegung - niemand braucht zu lügen -, sondern aus ehrlichem Instinkt." (Horkheimer als Heinrich Regius, Dämmerung)
"Das Prinzip aller Stellungnahmen zum Ausland und seinen Menschen, der Zynismus der Souveränität liegt in ihrer Beurteilung 'in bezug auf uns'. Wer dieses Prinzip verfolgt, nimmt unter dem Vorwand, nicht seinem willkürlichen Geschmack, sondern dem aller zu entsprechen, den Standpunkt der höchsten Gewalt ein, die er anerkennt. So als hinge der angemessene Umgang mit jenen Leuten von seiner Einschätzung ab, be- und verurteilt er alles und jeden, der nicht unter der Botmäßigkeit seines Souveräns steht, als Beschränkung und Gefahr." (Marxistische Gruppe, Imperialismus 1, Resultate Nr. 4)
In dieser Rubrik bringen wir in loser Folge Fallstudien über den gewöhnlichen Imperialismus heute: Gezeigt werden soll an ihnen 1. was wirklich los ist, 2. wie man es sehen soll und 3. was der real existierende Imperialismus daraus macht.
AUFRÜSTUNG AN DER NICARAGUA-FRONT
"The trend of events in Central America is now running in our favour." (Thomas Enders, US-Staatssekretär für inter-amerikanische Angelegenbeiten, in: "Latin America Weekly Report" vom 27. August 1982)
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Die Vorbereitung zur Beseitigung des Sandinismus in Nicaragua sind angelaufen. Weil nach Auffassung der Reagan-Administration
"Der Einsatz von US-Streitkräften unproduktiv (und bei uns nicht praktizierbar) wäre, müssen wir mit der ständigen Verbesserung der militärischen Kapazitäten befreundeter Nationen fortfahren." (Enders)
Diese "befreundeten Nationen" - Honduras, El Salvador, Guatemala und Costa Rica haben sich unter freundlicher Anleitung der USA zur "Communidad Democratica Centroamericana" zusammengeschlossen, erhalten den Löwenanteil aus dem Reaganschen Karibikplan und kriegen Militärausrüstung, Berater und Dollars für den doppelten Zweck, die Guerilla im eigenen Land niederzuhalten und "Druck" auf das benachbarte Nicaragua von allen Seiten her auszuüben.
Honduras mit einem "gewählten Präsidenten", der sich die Macht mit dem Oberkommandierenden der Armee brüderlich teilt (der eine will "behutsame Reformen", der andere bietet den USA einen gemeinsanaen "Krieg gegen den Kommunismus" an), wird zum Hauptquartier des geplanten Nicaragua-Feldzuges der "friendly nations" aufgebaut: 3 Militärflugplätze, ein 19 Mio Dollar Plan der CIA zur Ausbildung von 4000 Ex-Somoza-Nationalgardisten, sowie Tausender von aus Nicaragua geflohener Miskito-Indianer. Erste Sabotageakte "demokratischer Guerilleros" im Grenzgebiet, sowie Luftangriffe von Flugzeugen "unbekannter Herkunft" auf Fabriken und Treibstofflager wurden schon gemeldet.
Guatemala und E l Salvador müssen erstmal mit der Guerilla im eigenen Staat fertigwerden, damit sich ihre Armee der "counterinsurgency" außerhalb der Grenzen widmen kann. Den amtierenden guatemaltekischen Gorilla General Rios Montt hat man in Washington kürzlich zum Demokraten getauft und die Carter-Sanktionen mit der Menschenrechtswaffe durch umfangreiche Waffenlieferungen ersetzt. Die salvadorianische Regierung ist durch die Wahlen als bevorzugter Empfänger von US-Hilfe bestens legitimiert. Angesichts militärischer Erfolge der Regierungstruppen gegen die Befreiungsfront unterstützt man die Ablehnung von Verhandlungen und setzt auf den Übergang von der angeblich erreichten "Neutralisierung" der Guerilla zum Angriff auf die von ihr immer noch gehaltenen Gebiete.
Costa Rica schließlich hat unter seinem neuen christdemokratischen Präsidenten seine Grenzen zu Nicaragua dichtgemacht, seine bisherige politische Unterstützung des Sandinismus eingestellt und verhandelt mit den USA über seine Einbeziehung in den Karibik-Plan. Als Vorleistung beherbergt man den abtrünnigen Sandinisten Eden Pastora und seine Mannschaft, die ebenfalls für eine bewaffnete Rückkehr in die Heimat trainiert. Auch für den diplomatischen Flankenschutz in der Hemisphäre ist gesorgt. Mexiko, früher demonstrativ auf eine "eigenständige Außenpolitik" mit Beziehungen zur Regierung in Managua und einem Botschafter in Havanna, rät jetzt den Sandinisten ungeachtet des Kriegsgeschreis in allen Nachbarländern gegen sie, ihre "unangemessen große Armee" abzubauen und jede Unterstützung für Oppositionsgruppen in Mittelamerika einzustellen. Enders:
"Mexico's unhelpful role ist diminishing."
Der angebliche "Hauptstörenfried" in der Region, Cuba, das nach US-Ansicht in Nicaragua einen Stützpunkt der Sowjetunion errichtet haben soll, betont den ausschließlich humanitären Charakter seiner Hilfe (Ärzte, Lehrer, Ingenieure) und vermeidet alles, was seine eben erst mühsam zustandegekommenen Handelsbeziehungen zu südamerikanischen Staaten gefährden könnte. Auf die Castro vorgeworfene Militärhilfe für sie, können die Sandinisten nicht rechnen.
Die Front gegen Nicaragua steht also, das strategische Hinterland wird gerüstet, der Grund zum Zuschlagen ist gegeben als Absichtserklärung der USA, den Sandinismus nicht dulden zu wollen - Anlässe zum Losschlagen auf breiter Front werden sich nicht vermeiden lassen. Der Sieg wird durch folgende Auffangstellung des Mr. Enders gewährleistet:
"Wenn Nicaragua und Cuba ihren Einsatz wesentlich steigern, werden dramatischere Maßnahmen erforderlich sein."
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Was die Berichterstattung hierzulande betrifft, so ist El Salvador aus den Schlagzeilen raus, die es letztmals anläßlich der Wahlen und der Niederlage Duartes füllen konnte. Obwohl das Gemetzel seinen Fortgang nimmt und die Zahl der Toten pro Tag gewachsen ist, hält man die dortige "Instabilität" für stabil, die Verhältnisse in diesem Land im Prinzip für geregelt: Die Guerilla kann nicht siegen (6000 Bewaffnete gegen 30000 Mann Armee und Polizei!) und die Regierung ist gewählt, also kann vom früher geheuchelten Verständnis für aus " Ungerechtigkeit, Brutalität und Hunger" erwachsenden Widerstand Abstand genommen und das "Problem" den USA überlassen werden. Dafür entdeckt man in Nicaragua zunehmend die "häßliche Seite der Revolutionäre", wofür der Chefredakteur der in Managua zugelassenen Oppositionszeitung "La Prensa" im ARD-"Weltspiegel" seine Hetze gegen die Regierung auch westdeutschem Publikum anbieten darf. Selbst der linke Freundeskreis in den Nicaragua-Komitees ist verunsichert durch das "Schicksal der Miskito-Indianer", dessen sich die "Gesellschaft für bedrohte Völker" angenommen hat. Soweit die Kriegsvorbereitungen der USA samt "friendly nations" überhaupt registriert werden, entdeckt man darin "Fehleinschätzungen" der hard-liner um Reagan und meint - wie die Nicaragua-Touristen Alt, Grass und Strasser - der Imperialismus wäre besser beraten, sich mit den Sandinisten nicht nur abzufinden, sondern auf deren christlich-sozialrevolutionären Antisowjetismus zu setzen. Für solche Leute steht die imperialistische Zuständigkeit für aller Herren Länder außer Frage und die ihnen als zu brutal aufstoßenden Formen der Durchsetzung werden entweder vom Standpunkt der dazugehörigen Moral bekrittelt, wenn man nicht gleich den Profis im State Department vorwirft, sie wären einem dummen Mißverständnis aufgesessen.
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Für die USA und ihre Verbündeten stellt sich die Frage nach dem "Charakter der sandinistischen Revolution" überhaupt nicht. Für die Reagan-Administration sind die siegreichen Guerilleros in Managua mittlerweile ganz offen nur noch die Leute, die einen "zuverlässigen Freund unseres Landes" (Reagan über Somoza) gestürzt haben und die deshalb in Sachen bedingungsloser Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit zu wünschen übrig lassen. Für den Beschluß der Administration aus dem "Hinterhof" Mittelamerika einen "Vorgarten" der USA zu machen, will man sich die Gärtner selber aussuchen. Wirtschaftliche Offerten der Sandinisten an die USA, die von United Fruit dankend angenommen werden, nützen dagegen überhaupt nichts. Wenn Außenminister Shultz dem Finanzausschuß des Senats massive Unterstützung für die Faschisten um Nicaragua herum mit dem ökonomischen Ertrag fürs US-Kapital schmackhaft machen will, so verraten die dabei von ihm angegebenen Zahlen, daß es darum nicht geht:
"Die Karibik repräsentiert zur Zeit einen Markt von 7 Mio. Dollar jährlich für die Vereinigten Staaten." (Zit. nach "El Dia" vom 21. Aug. 1982)
Im Nebenzimmer versucht zur gleichen Zeit Kollege Enders einem Bewilligungsausschuß klarzumachen, daß
"wir einen steten Fluß von 750 Mio. Dollar für jedes der nächsten 3 Jahre brauchen, um unsere Anstrengungen in Mittelamerika wirkungsvoll zu machen."
Und 743 Mio. Dollar netto ist für die Weltmacht Nr. 1 ein vergleichsweise billiger Preis, um einen ganzen Subkontinent zum Frontabschnitt gegen eine Sowjetunion herzurichten, die da gar nicht präsent ist.