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2 Monate CDU-Staat
DIE WENDE
"Die BRD konnte entstehen, weil der Einzelne sein eigenes Ich und seine Sehnsüchte in das 'Wir' des Ganzen eingebracht hat." (Bundeskanzler Helmut Kohl)
Die neuen deutschen Führer haben ihrem Volk eine Wende verordnet. Zum Regierungswechsel öffentlich angestellte Vergleiche mit den Tugenden eines Deutschen in den Jahren nach 1945 - es waren übrigens dieselben wie davor -, die heute wieder gefragt sind, geben Zeugnis von der Freude und Zuversicht von Politikern, die sich einer Sache sicher sind: Sie verfügen über ein Volk, mit dem sich ziemlich umstandslos all das erfüllen läßt, was sich diese Herren an Aufgaben für die Größe Deutschlands gestellt haben.
Mit der Selbstsicherheit demokratischer Machtfülle verkünden sie laut: "Wir sind überzeugt, unser Volk braucht einen neuen Anfang und wir sind dazu bereit" (Kohl im Bundestag), und stellen damit von Anfang an klar, daß die Politik an den wirklichen Sorgen und Nöten ihrer künftigen Opfer nicht ihr Maß hat, sondern daß das Volk genau das braucht, wozu sie es gebrauchen wollen.
Die Berechtigung ihres Anspruches auf die Macht steht außer Frage. Das erzdemokratische Ideal, der Bürger besäße in der Wahl sein Mittel, Einfluß auf die Politik zu nehmen, ihr Maßstäbe nach seinen Kriterien auferlegen zu können, wird nicht bloß als Illusion denunziert, sondern es wird für verfassungsfeindlich erklärt, in der Wahl etwas anderes zu sehen als das Mittel der Gewählten, eine funktionierende Herrschaft zustandezu bringen. Da sehen demokratisch gewählte Politiker wie Strauß angesichts der Wahlerfolge ebenso demokratisch gewählter Politiker der Grünen Weimarer Verhältnisse heraufziehen. Mit "profunden Geschichtskenntnissen" weist er nach, daß damals die SPD den Staat unregierbar gemacht hat, weil sie "mit der NSDAP und der KPD gemeinsam Opposition als Verhinderung Brüning'scher Spar- und Krisenpolitik betrieben hat", anstatt Opposition als das zu begreifen, was sie ist: das gemeinschaftliche Ringen um effektive Herrschaft, indem einerseits sämtliche Staatsnotwendigkeiten einstimmig beschlossen und verabschiedet werden und andererseits ganz getrennt von den Inhalten der Politik Opposition als oppositionelle Selbstdarstellung betrieben wird, indem sich des Wählers Unzufriedenheit garantiert folgenlos an dem Spruch abkühlen darf, daß man zwar genau das gleiche wie die Regierung, aber viel besser gemacht hätte.
"Nach dem Verständnis des Grundgesetzes müssen Parteien sich als mitverantwortlich für die Gestaltung des politischen Lebens und für die Lenkung des Staates fühlen, gleichgültig ob sie an der Bildung der Regierung beteiligt sind oder in der Opposition stehen." (F.J. Heidemann, Jurist, in: "der arbeitgeber")
Eine Partei also, die sich wie die Grünen zumindest formal auf ein besonderes Interesse der Bürger als Maßstab ihrer Politik beruft, die mit ihrem plebiszitär-demokratischen Getue eine Abhängigkeit des Abgeordneten von seiner "Basis", also die Mitverantwortung des Untertanen für seing Beherrschung fest installieren will, eine solche Partei ist heute schlicht verfassungsfeindlich und ein Strauß stellt da sofort öffentliche Überlegungen über eine Große Koalition an zur Rettung des Staates vor solch einem illegalen Wählerwillen.
"Eine politische Gruppierung, die lediglich Antipositionen bezieht oder Fundamentalopposition betreiben will, in Koalitionsverhandlungen jegliche Kompromißbereitschaft und -fähigkeit vermissen läßt und auf unerfüllbaren Maximalforderungen beharrt, die BRD selbst unregierbar machen will," - wollen die das? - "ist im grundgesetzlichen Sinne Jedenfalls nicht zur politischen Willensbildung fähig und bereit. Das Verlangen nach einer Art unbedingten Gehorsams in Abstimmungsfragen gegenüber der Basis ist nach dem Demokratieverständnis des Grundgesetzes schlicht undemokratisch und unzulässig." (vgl. Mauz-Dürig, zu Art. 21, Grundgesetz)
Wer darüberhinaus auch noch zu Demonstrationen gegen Staatsmaßnahmen aufruft, sich also auf den Standpunkt seines Interesses gegen den Staat stellt, macht sich der Nötigung der Staatsgewalt schuldig und hat deshalb auch jedes Recht auf Widerstand verwirkt, das eben nur der genießt, der davon keinen Gebrauch macht.
"Nicht die Grünen oder andere alternative Gruppen, die sich so gern darauf berufen, sondern die Bürger, die verfassungstreu sind und die zum Grundgesetz stehen, haben das Recht auf Widerstand nach Artikel 20 Abs. 4 GG."
Heute besteht der Lohn eines Bürgers eben in dem ideellen, einen freiheitlichen Staat zu haben, der sich beim Regieren demokratischer Umgangsformen bedient, weshalb die Bürgerrechte auch als Pflicht zum Gehorsam zu verstehen sind.
"Demokratie ist Herrschaft auf Zeit" - so als ob sie nach 4 Jahren aufhörte - "und das unterscheidet sie von anderen Regierungsformen.",
frohlockt der Kohl, und da kann es nicht angehen, daß die per Wahl an die Macht gekommene Variante der Politik deshalb eine dem Wählerwillen verpflichtete Politik sein soll. Unisono stimmen die Politiker der neuen Koalition ein Loblied auf die erreichte Unabhängigkeit der Herrschaft von den ihr Unterworfenen an:
"Der Gewissensfreiheit des Abgeordneten gebührt der erste Rang." (Geissler)
"Sie wie wir haben jetzt die Freiheit, in eigener Verantwortung zu entscheiden. Und ich denke, es sollte zum Konsens der Demokraten gehören, daß niemand herabgesetzt wird hier im Hause und außerhalb, der legale, durch das Grundgesetz vorgeschriebene Möglichkeiten erwägt und möglicherweise auch benutzen will."
Die uneingeschränkte Handlungsfreiheit im eigenen Gebrauch der Macht steht einem zu als Politiker. Das Publikum hat diese Selbstdarstellung als eben die Aufforderung zu ehrerbietigen Grußadressen an die Führungsqualitäten der Politiker in Form von Stimmzetteln zu verstehen und ansonsten nicht durch Uneinsichtigkeit in die geforderte Anspruchslosigkeit unangenehm aufzufallen.
"Ich, die Koalitionsfraktionen und die von mir geführte Regierung wollen diese Neuwahlen, weil wir den Vertrauenserweis unserer Mitbürger suchen. Herr Kollege Brandt, gibt es eigentlich in der parlamentarischen Geschichte in der deutschen oder irgendeiner anderen Demokratie einen legitimeren, einen faireren, einen ehrlicheren Vorschlag einer Regierung als den, in einer ganz gewiß schwierigen Lage vor das Volk hinzutreten, dem Volk Opfer zuzumuten und zu sagen: Jetzt wollen wir dennoch wählen, weil wir die Wahrheit zur Wahl stellen wollen."
Und weil es auf das Volk bloß als Stimmvieh ankommt, hat man seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen, und das geht heute so: Man verspricht dem Volk, daß es mit seiner Arbeit, seiner Gesundheit und notfalls auch mit seinem Leben für die Notwendigkeiten des Staates einstehen darf, zitiert dazu in blauäugig aufgesetzter Stammtischmanier den Bürger als Faschisten, der eh nichts anderes im Sinn habe, als endlich die nötigen Opfer zur Gesundung von Staat und Wirtschaft zu bringen, womit man sich dann in Lobsprüchen über den Opfermut der Deutschen, der leider in den letzten 13 Jahren durch "Leistungs- und Wohlstandsdenken" korrumpiert wurde, der sich aber wieder angezogen gehört, als der beste Sachwalter dieses nationalen Erziehungsprogramms für Arbeitshaustugenden anpreisen kann.
"Die Ideologien der Macher und Heilsbringer haben den Wirklichkeitssinn nicht geschärft, die Selbstverantwortung nicht gestärkt und die geistigen Herausforderungen unserer Zeit verkannt. Wir brauchen wieder die Tugenden der Klugheit, des Mutes und des Maßes. Die Frage der Zukunft lautet nicht, wieviel der Staat für seine Bürger tun kann. Die Frage der Zukunft lautet, wie Freiheit, Dynamik und Selbstverantwortung sich neu entfalten können."
Da braucht es einen Kohl samt Konsorten, der dem Volk wieder klar macht, was mit der Parole "Mit uns aus der Krise" gemeint ist: die Ideologie von den Entfaltungsmöglichkeiten im Gewand moderner Staatsbürgertugenden als Programm, das die Freiheit des Staates von jeder Verpflichtung auf seine Bürger beinhaltet.
Freiheit des Rechts für den Staat
Schon die Koalitionsverhandlungen der neuen Regierung zeichneten sich dadurch aus, daß die Rechtspolitik kein Thema war. Das zu Beginn der SPD-Ära aufgemachte Reformideal, der Staat hätte eine Nachholpflicht, seinen Paragraphenwald den modernen Lebensbedürfnissen der Menschen anzupassen, wird vom neuen Innenminister Zimmermann mit der lapidaren Bemerkung zurückgewiesen:
Die in diesem Kompliment an die vergangene SPD-Rechtspolitik enthaltene Kritik an der bürgerlichen Rechtsvorstellung, der Staat wäre in seiner Gesetzgebung und Rechtsprechung höheren Prinzipien der Gerechtigkeit verpflichtet, fällt zum einen ganz pragmatisch aus -
"Wenn eine Zeit der Gewalttätigkelt wiederkehrt, wird man sich das eine oder andere überlegen müssen..., das kommt auf die äußere und innere Lage der BRD an, ob das notwendig ist." -,
wird zum anderen praktisch wahrgemacht.
Staatliche Übergriffe, wie Massenverhaftungen bei Demonstrationen oder deren sonstige gewaltsame Auflösungen sind eben staatliche und deshalb legitime Gewalt, denn
"wenn Minderheiten gewalttätig sind, dann muß die Mehrheit vor dieser radikalen Minderheit geschützt werden."
Bei der Jagd auf Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst ist erstens jedes Mittel recht, soweit es zweitens effektiv ist und drittens Arbeitsplätze schafft.
"Ich verschließe mich keiner Regelung, mag sie so oder so sein. Entscheidend ist für mich, daß sie effektiv ist und sicherheitsgefährdende Personen nicht in den Staatsdienst gelangen läßt. In einer Zeit, wo wir Zehntausende von arbeitslosen Lehrern haben, in einer Zeit, wo es als ein Stück Zukunftssicherung empfunden wird, in den Staatsdienst eingestellt zu werden, hätte auch die übergroße Mehrheit unserer Bürger überhaupt kein Verständnis, wenn dafür ausgerechnet Extremisten genommen würden." (Zimmermann)
Deshalb ist es auch völlig egal, ob der "Verfassungsfeind" Postbote oder BKA-Präsident ist, weil es darum geht, solchen Leuten, die sich nicht als absolut loyale Staatsbürger erweisen, die Existenz zu erschweren, wenn nicht zu verunmöglichen. Der Standpunkt der Opportunität, ob es sich lohnt, jeden Straßenkehrer zu überprüfen, kann von einem Zimmermann nicht zugelassen werden. Es geht schließlich um's Prinzip: Kritik am Staat gehört sich nicht, weil er nicht dazu da ist, den Wünschen seiner Bürger nachzukommen. Und wer es sich dennoch leistet, ist ein Sicherheitsrisiko:
"Daß ein eingeschriebenes Mitglied der Kommunistischen Partei oder ihrer Gliederungen oder verwandter Organisationen durch seine Einstellung gegenüber diesem Staat jederzeit einem möglichen Gefährdungspotential zugerechnet werden muß, ist wohl unstreitig." (ders.)
Prinzipiell ist da natürlich jeder Bürger verdächtig und muß daher auch prinzipiell auf staatstreue Gesinnung zu überprüfen sein. Nach dem Motto, wer nichts angestellt hat, hat auch nichts zu verbergen, sollen die "völlig verunsicherten und demoralisierten Sicherheitsbehörden" endlich von Datenschutz und lästigen Amtshilfediskussionen befreit werden, denn
"das belastet den Bürger doch nicht. - Wenn nichts dahinter ist, ist nichts dahinter. Es wird ihn nie belasten. Wenn aber etwas dahinter ist, dann muß es festgestellt werden." (ders.)
Der Schein, der diesen Gesetzen zur Regelung staatlicher Schnüffelei anhaftet, hier hätte der Bürger ein Recht auf Schutz vor dem staatlichen Zugriff auf seine Person, paßt nicht in die politische Landschaft. Daß die ausführenden Staatsorgane bei ihrer Arbeit durch das Recht eingeschränkt werden sollen, erfüllt gleichsam den Tatbestand der Staatsfeindlichkeit, weil es doch nicht angehen kann, daß die Erfüllung der Staatsnotwendigkeiten an irgendeinem Punkt unrechtmäßig sei, an irgendeinem Bürgerrecht eine Schranke fände. So spricht die neue Regierung darin aus, daß das Recht nichts anderes als die reine Pflicht zum nationalen Gehorsam ist. Der Bürger hat es sich gefälligst abzugewöhnen, die staatliche Gewalt daran zu messen, ob sie seinen Vorstellungen von Gerechtigkeit entspricht. Leistung und Pflichterfüllung berechtigen eben zu gar keinen Ansprüchen an den Staat, sondern sie haben die selbstverständliche Haltung des Bürgers ohne die Frage nach dem Lohn dafür zu sein, weil der jetzt von den C-Gruppen regierte BRD-Staat für sein immenses Aufrüstungsprogramm diese Tugenden wieder benutzen will.
"Die BRD stehe vor ganz entscheidenden Fragen. Sie habe mit mehr als 2 Millionen Arbeitslosen zu rechnen. Es stünden drastische Reduzierungen des Bundeshaushaltes und weltere Zurücknahme staatlichor Leistungen bevor. Solche Anstrengungen erforderten eine große moralische Kraft. Zu lange hatten viele Deutsche geglaubt, sie könnten in der Zukunft immer weniger leisten und immer besser leben." (Kohl)
Das soziale Netz: Solidarität im Opfer
"Ziel unserer Sozialpolitik ist, die sozialen Leistungen auf die wirklich Hilfsbedürftigen zu konzentrieren. Wo es Spielräume gibt, das Prinzip Leistung für Gegenleistung zu verstärken, werden wir sie nutzen. Wir werden den Sozialstaat erhalten, indem wir seine wirtschaftlichen Fundamente festigen."
Gerade so, als ob zu SPD-Zeiten das Geld mit vollen Händen an jedermann verteilt worden wäre, der es nur wollte, gerade so, als ob das soziale Netz nicht von den Leistungsempfängern selbst per Zwangsbeitrag bezahlt worden wäre und so, als ob die früheren Sanierungen der Sozialversicherungen nicht nach dem Muster abgelaufen wären: Beitrage rauf und Leistungen runter, sieht sich die neue Koalition veranlaßt,
"der Bestechung des Wählers durch die SPD, die mit ihren ehrgeizigen Sozialprojekten die Gunst des Wählers für sich gewinnen wollte",
ein Ende zu bereiten.
Der darin liegende Vorwurf an die SPD, den Parteiennutzen vor den Staatsnutzen gestellt zu haben, indem sie die Staatsgewalt zur Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bürger mißbraucht habe, stellt das Verhältnis von erlaubtem Materialismus des Bürgers und Ansprüchen des Staates neu fest. Einerseits wird das Volk getadelt dafür, daß es durch einen vermeintlichen Wohlstand korrumpiert und nicht mehr leistungsfähig sei, andererseits erfährt es Lob für die ihm von oben angedichtete Einsicht, daß, wo das Geld für etwas anderes gebraucht wird, es nicht für die Leute da sein kann, oder - mit Herrn Blüm gesprochen:
"Die deutsche Arbeiterklasse hat in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer zu ihrem Staat gehalten.",
was dem Volk drittens als in seinem Interesse liegend interpretiert wird, denn hohe Abgabebelastung hätten seine Eigeninitiative und Selbstverantwortung geschwächt. Da stört es wenig, wenn diese Abgabenlast jetzt noch einmal kräftig erhöht wird, weil man ja eh weiß, daß die zugleich beschlossene Senkung sämtlicher Leistungen schon dafür sorgt, daß der staatliche Zwang, ideologisch als Tugenden der "Eigeninitiative und Selbstverantwortung" verbrämt, wieder zum Zuge kommt.
Heute, wo es bereits 2 Millionen Arbeitslose gibt, die vom Kapital in die Welt gesetzt wurden wo die seit Jahren erfolgreich betriebene Lohnsenkung schon manchen Nocharbeitsplatzbesitzer auf die Sozialhilfe verweist, werden diese bereits stattgehabten Erfolge in der Verarmung der Leute zur Grundlage für ganz neue Freiheiten im Umgang mit dem Geldbeutel der Arbeiter oder Rentner. Die Tatsache, daß der Lohn darüber entscheidet, wieweit einer am produzierten Reichtum teilnehmen kann, ob er seine Kinder in die höhere Schule schicken, sich ein Auto leisten, eine bessere Wohnung mieten kann usw., bildet keine Schranke mehr für die Ansprüche des Staates; daß Leute unter dem Existenzminimum leben müssen, bietet heutzutage kein Material mehr für sozialkritische Betrachtungen.
Da wird das Schüler-BAföG gestrichen, was bei etlichen Familien 1/3 des Einkommens bedeutet, wozu sich die neue Bildungsministerin Willms mit der zynischen Bemerkung erklärt, daß es sich hier erstens um ein Rechenspielchen handle, und zweitens "habe der deutsche Arbeiter im Laufe der letzten 30 Jahre den hohen Wert der Bildung erkannt, weshalb er auch durchaus bereit sei, dafür beim Auto oder Urlaub Einsparungen zu machen". Außerdem lebe die BRD als hochindustrialisiertes Land vor allem von "ihrer wissenschaftlichen und praktischen Elite", weshalb nur besonders begabte Kinder gefördert werden sollen und dem Rest
"der jungen Generation verdeutlicht werden muß, daß die berufliche Bildung ebensogute Berufs- und Lebenschancen eröffnet wie ein Studium",
weshalb die Willms auch studiert hat und nicht in die Fabrik gegangen ist.
Da wird im Bundestag die Oma zitiert, die mit 700 DM Rente auskommen muß, und der deshalb die Verschiebung der Rentenerhöhung um ein halbes Jahr bei gleichzeitigem Abzug einiger Prozentpunkte für die Krankenversicherung hart ankommt, - als Aufforderung an alle, Opfer zu bringen, wenn schon die Witwe eine Kürzung ihrer Rente hinzunehmen habe.
"Nach wie vor sollen die Tarifpartner autonom die einkommenspolitischen Eckdaten für Arbeitnehmer festlegen. Es kommt jedoch darauf an, dabei auch neue Instrumente zu suchen und anzuwenden, etwa in allen Leistungsbereichen bis zum 1. Juli 83 eine Atempause einzulegen. Auf diese Weise ist es möglich, Schulden abzubauen und in der Gesellschaft die Erkenntnis einzuüben, daß Fortschritt nicht immer Wohlstand bedeuten muß. Es ist das Ziel der Bundesregierung, eine Druckwelle des Gemeinsinns zu erzeugen. Je mehr Bürger mitmachen, desto schwerer haben es die, die sich dem Appell entziehen. Vor allem anderen geht es jetzt darum, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Alle anderen Forderungen müssen deshalb zurückstehen." (Blüm)
Kein Volksverhetzer, sondern der Arbeitsminister macht da Propaganda:
Erstens hat man die von Staat und Kapital produzierten Opfer nicht als die Schädigung der Betroffenen zu sehen, sondern als ein nationales Problem, dessen Opfer der Staat ist. Damit wird zweitens der Hinweis auf den Schaden an anderer Stelle zum Argument dafür, die eigene Schädigung gefälligst hinzunehmen, sein eigenes Opfer beizusteuern. Dies erklärt drittens das eigene Einkommen zu einem nationalen Anliegen dergestalt, daß es pur als Kosten für Staat und Wirtschaft betrachtet wird, die man sich so nicht mehr leisten will. Der Gebrauch des sozialen Netzes wird als Mißbrauch bezeichnet, was "Diebstahl am Nächsten" sei, womit der Herr Blüm schlicht sagt, daß das Geld nicht dafür da ist, den Lebensunterhalt einer Existenz zu bestreiten, die gerade überflüssig gemacht worden ist. Der Standpunkt, daß das Einkommen der Leute für die Belange der Nation geradezustehen hat, läßt Staatsmänner wie Kohl und Blüm auch am Sinn und Wert der Tarifrunde zweifeln. Die Ankündigung des neuen Arbeitsministers, die Tarifautonomie dürfe kein Tabu sein und man müsse über eine Lohnpause reden dürfen, zielt auf die rechtlich geregelte Freiheit der Gewerkschaften, Lohnverhandlungen führen zu dürfen. Es stört ihn, daß er die Tarifautonomie (noch) nicht auf die Durchsetzung einer Lohnsenkung verpflichten kann. Und es ist der Wunsch nach einem solchen Verbot von Lohnauseinandersetzungen überhaupt, wenn der Blüm folgenden Aufruf ergehen läßt:
"Wenn kein Ruck durch die Nation geht, haben wir im nächsten Jahr 3-4 Mill. Arbeitslose. Dann können wir weder das soziale Netz noch den Staatshaushalt finanzieren. Aber niemand meistert die Krise allein. Ich rufe alle Arbeitnehmer und Unternehmer auf: Kommt raus aus den Schützengräben der Polemik und setzt euch mit mir an den runden Tisch der Vernunft. Laßt uns alle an einem Strick ziehen und den Streit beenden, sonst schaffen wir die Arbeitslosen nie von der Straße."
Den Klassengegensatz - die Benutzung oder Nichtbenutzung des Arbeiters nach Rentabilitätsgesichtspunkten beinhaltet seinen permanenten Schaden - dem Kriterium der nationalen Vernunft zu unterwerfen, ist die staatliche Aufforderung dazu, den Standpunkt 'meine Arbeit soll mir etwas bringen' aufzugeben, und sie gleich als Ehrendienst an der Nation zu sehen. Es ist die Vorstellung von Arbeitslagerverhältnissen, die hier als Gedankengut verbreitet wird, wo es dem Arbeitslosen nicht an Geld, sondern an seiner produktiven Benutzung mangelt, was eben nicht seinen Schaden, sondern den Schaden des Staates bedeutet, weshalb dieser alle Bemühungen darauf zu verwenden hat,
"aus 2 Millionen Arbeitslosen, d.h. Unterstützungsempfängern (arbeitswillig, aber zur Unproduktivitat verdammt), wieder Lohnsteuer- und Beitragszahler zu machen." (Strauß)
Da werden sämtliche Ideologien über die Segnungen des sozialen Netzes und der beschäftigungspolitischen Maßnahmen rigoros verabschiedet. Ganz selbstverständlich wird mit der Frage nach der Finanzierbarkeit der politische Wille kundgetan, sich das Geld auf jeden Fall bei den Leuten zu holen, indem man einerseits die Verwaltung des Elends noch einmal drastisch verbilligt und zum anderen durch höhere Steuern und Sozialabgaben das Maß des noch erlaubten Lebensstandards kräftig senkt.
Bundesfamilienminister Geißler entdeckt an dem Sozialhilfeprinzip "Hilfe in besonderen Lebenslagen" Möglichkeiten, der Krankenversicherung Kosten zu ersparen, wenn man nur "den Begriff der Krankheit etwas umfassender definiert". Dann würde nämlich "der Vorrang für eine ambulante Betreuung von Langzeitkranken und alten Menschen" den Sozialstationen zufallen, was allerdings dazu führen müsse, daß in der Krankenversicherung Geld gespart wird." Das Schöne an den 1970 eingerichteten Sozialstationen sei ja, daß sie Kristallisationspunkte der Nachbarschafts- und Familienhilfe seien, wo Humanität und Ökonomie keine Gegensätze bildeten.
Die Familie: Keimzelle des Staates
Da entdecken diese Staatssanierer an der Familie lauter Möglichkeiten, aus ihr unentgeltliche Hilfskräfte zu schöpfen, wenn man es nur richtig versteht, die gefühlsmäffige familiäre Bande zur Bewältigung von Krankheit und Not zu benutzen. Den Rückhalt, den ein Arbeiter in der durch die Umstände und durch staatliche Gesetze erzwungenen Opferbereitschaft der Familienangehörigen findet, nimmt sich ein Kohl zum Anlaß für ein Loblied auf diese Notgemeinschaft:
"Deshalb müssen wir alle wieder lernen, zusammenzustehen. In guten wie in schlechten Tagen das gilt für die Ehe wie für den Staat. Vielleicht hilft die Frau mit, für den Mann einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Krisen schweißen doch zusammen!"
Die Berufstätigkeit will er der Frau natürlich nicht verbieten: "Wir sind ein freies Land mit freien Bürgern", aber daß sie als Mutter die bessere Frau ist, will er schon betonen:
"Es ist doch bewundernswert, wenn eine Frau entscheidet: die Kinder brauchen mich - ich bleibe zu Hause. Und ich finde es unerträglich, daß sie für dieses Opfer auch noch bestraft wird, indem man abwertend von der Nur-Hausfrau spricht."
Wenn man schon sein ganzes Leben lang nur Hausfrau gewesen ist, gebührt einem für diese Selbstaufgabe doch mindestens der Dank der Nation, und dies nicht zuletzt wegen des Nachwuchses, besonders für Deutschland.
"Das Ja zum Kind ist auch ein Ja zum Optimismus, zur Lebensfreude - zur Zukunft Deutschlands."
Kohls Freude über die deutsche Weiblichkeit: "Trotz aller Emanzipation sind unsere Frauen wunderbar weiblich geblieben", entspricht der Entdeckung soldatischer Tugenden auch bei der Frau:
"Nach der Entführung von Hans Martin Schleyer wollten viele Männer nicht mehr bei mir im Auto sitzen. Aus Angst vor Attentätern. Aber kein einziges Mal hat eine Frau gezögert, mit mir zu fahren!"
Die deutsche Frau als vorbildhafte Magd für Deutschland:
"Und als letztes möchte ich heute - wo alle von der Jugend reden - das einmal umkehren: Meine Hochachtung unseren Müttern, die ein Leben lang ihre Pflicht getan haben, ohne zu protestieren. Die nie demonstrieren konnten - gar nicht wissen, wie das geht. Die aufopfemd diese ungeheure Leistung vollbracht haben, nach zwei Kriegen. Jetzt - in dieser kritischen Zeit - wird sich zeigen, daß die Enkelin genauso tapfer sein kann wie die Oma!"
Auch Adolf Hitler hätte nicht besser sagen können, daß der Mensch seine wahre Größe erst darin findet, sich selbst für seinen Staat aufzugeben.
Der Ausländer: ein schlechter Nichtdeutscher
Mit der massenhaften Entlassung von Arbeitskräften wurden auch etliche der "Gast"arbeiter überflüssig. Die neuen Freiheiten der Herrschaft im Umgang mit der arbeitenden Bevölkerung haben bei Fremden allerdings noch ganz andere Qualitäten - man entledigt sich ihrer:
"Wer keine Arbeit hier hat, der muß eben gehen. Das mag in der Verkürzung so kraß klingen, bei 2,5 Millionen deutschen Arbeitslosen sind jedoch wirksame Maßnahmen erforderlich." (Zimmermann)
Die einfachste und wirksamste Maßnahme ist der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung nach einer gewissen Zeit erfolgloser Arbeitssuche. Aber auch das Verbot des nachträglichen Zuzugs von Verwandten und Familienangehörigen läßt manchen Familienvater wieder die Heimreise antreten, und die Unsicherheit darüber, wie lange man noch über ein Einkommen verfügt, läßt sich mittels eines zeitlich begrenzten Angebots der Kapitalisierung und Rückerstattung von Sozialbeiträgen zur Erpressung noch Rückkehrunwilliger benutzen, usw., usf.
Kurz, die Ausländer sind erstens Ausländer, zweitens zu viele, die drittens nichts kosten sollen, außer viertens, sie werden anständige Deutsche.
"Wir können doch jemand nur langfristig hier behalten, der integrationsfähig und -willig ist, und der seine Anwesenheit in der BRD nicht nur zum Geldverdienen benutzt. In zigtausend Fällen aber holen Türken etwa Kinder in die BRD, die weder als Türken aufwachsen können noch als Deutsche. Das dient doch nicht den türkischen Familien. Deswegen ist es sehr weise, glaube ich, das Alter für Familienzusammenführung niedrig anzusetzen, so daß wirklich eine Möglichkeit der Integration besteht." (Zimmermann)
Gerade so, als ob ein türkischer Gastarbeiter in Deutschland mal schnell zum Kohlemachen vorbeischauen könnte, als ob er nicht auch Steuern und Abgaben zahlen müßte, wird ein neuer Maßstab der Bewertung einer Gastarbeiterexistenz aufgemacht.
Einfach zum Geldverdienen herzukommen, ist ein nicht mehr erlaubtes Anliegen, denn dafür, daß er hier überhaupt arbeiten darf, hat er dem deutschen Staat seine Dankbarkeit praktisch zu beweisen, indem er ein guter Deutscher wird: Nicht immer den verdienten Lohn nach Hause schicken, weil das die Währungskurse belastet. Die in Deutschland genossene Ausbildung soll sich auch in einem 50jährigen Arbeitsleben für Deutschland bezahlt machen, außer er wird arbeitslos, dann darf und muß er früher gehen.
Die Ideologie von der Integration heißt eben nichts anderes, als daß man auf die sonstigen zuverlässigen Dienste, die eines deutschen Staatsbürgers Pflicht sind, auch bei ihm nicht verzichten will, sofern man sie benötigt. Ausländerfeindlichkeit gibt es deshalb eigentlich gar nicht, und wenn, dann sind die Ausländer selber schuld daran, indem sie sich weigern, ihren ausländischen Nationalismus gegen den deutschen einzutauschen, was man ja schon an der Lebenskultur sehen soll.
"Die Ausländerfeindlichkeit entsteht ja nur dort, wo sich der deutsche Staatsbürger bereits in Minderheitspositionen versetzt fühlt, wo er Menschen aus ihm fremden Kulturkreisen vor sich sieht, die nicht integrationsfähig und -willig sind, sondern sich zu Zehntausenden abkapseln, isolieren und damit zu einem Fremdkörper werden." (Zimmermann)
Für das faschistische Ideal eines gesunden Volkskörpers, der nicht durch Fremdkörper verseucht werden soll, sind diese Ausländer überhaupt zu viel. Deswegen hat man erstens dafür zu sorgen, daß keine weiteren nachziehen, wohl wissend, daß die Erfolge des BRD-Imperialismus in der Türkei und anderswo dort permanent überflüssige Existenzen schaffen.
"Die Verhandlunqen mit der Türkei über die Einschränkung des Assoziierungsabkommens sind zügig fortzusetzen. Denn natürlich sitzen in der Türkei noch viele Hunderttausend auf ihren Koffern, nur um in ein gelobtes Land einreisen zu können." (ders.)
Zweitens läßt sich mit intensiveren Nachforschungen nach im Laufe der Jahre illegal Eingereisten, die man bis jetzt ganz gut gebrauchen konnte, deren ganz legale Zwangsausweisung bewerkstelligen.
"Illegale Einreisen und Beschäftigungen sind zu unterbinden." (Koalitionspapier)
Drittens ist die BRD nicht dazu da, daß die Gegner verbündeter NATO-Staaten, auch wenn sie zu Hause bisweilen gefoltert oder umgebracht werden, hier Unterschlupf finden (siehe dazu Kasten). Staatsgegner im freien Westen sind Kriminelle, bei denen sich einzig die Frage stellt, "wie das Instrumentarium verbessert werden kann, um straffällig gewordene Ausländer abzuschieben."
Politisch Verfolgte werden zu verkappten Wirtschaftsasylanten deklariert, die lieber wieder von ihrem Recht Gebrauch machen sollten, "in ihrer Heimat leben zu dürfen", auch wenn ihnen gerade das verwehrt wurde. So geht demokratischer Rassismus: Leute, die weder dem eigenen Volk angehören, noch sonstwie benutzbar sind, haben auch jeden Anspruch auf eine auskömmliche Existenz hier verloren, was ihnen aber ganz demokratisch als ihr Recht auf Heimat erklärt wird.
Militär: Die Treue zum Bündnis...
Bei der Beanspruchung fremder Länder und der Benutzung ihres Menschenmaterials hat der BRD-Staat natürlich auch Partner, mit denen er sich die gewaltsame Absicherung seiner weltweiten Interessen teilt. Die sind nicht nur keine Ausländer, sondern allen voran "unsere lieben Freunde in den Vereinigten Staaten von Amerika", die ein guter Deutscher gern haben muß, weil sie "unsere Freiheit" gegen den gemeinsam erklärten Feind im Osten verteidigen.
"Pflegen Sie menschliche Kontakte und helfen Sie dabei, den Angehörigen der alliierten Streitkräfte das Gefühl zu vermitteln, von denen akzeptiert zu werden, zu deren Schutz sie hier sind von unserer Bevölkerung!" (Wörner auf Kommandeurstagung)
Bekanntlich hat sich ja jeder Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg sein Bataillon G.I.'s zum persönlichen Schutz bestellt! Oder meint der neue Kriegsminister einfach, daß man als Westdeutscher eben zum westlichen Menschenmaterial gehört und deshalb auch dazu ohne Wenn und Aber zu stehen hat?
Während der neue Bundeskanzler in den USA dafür das Seinige als Führer der NATO-Macht Nr. 2 tut, dem großen Bruder mit der sich ziemenden Mischung aus Ehrerbietigkeit und Stolz die BRD als 100% linientreuen Musterknaben im Bündnis vorführt -
"Einfach die Botschaft, daß Sie in Deutschland viele Freunde haben, und in schwierigcn Zeiten ist es wichtig, Freunde zu haben, und daß wir uns nicht dem Chor derer anschließen, die gegen die Amerikaner losziehen." -,
und sich gleich persönlich dafür verbürgt, daß die BRD samt Personal "mit ungebrochenem Freiheitswillen " zu den amerikanischen Aufrüstungsvorhaben zwecks Ausbau der Freiheit nach Osten stehe, wofür er vom Präsidenten die ehrliche Antwort kriegt:
"Das deutsche Volk steht an vorderster Front im Kampf um die Freiheit.",
darf sich das Volk zu Hause auf die Offensive seiner Führung gegen jegliche Formen von Antiamerikanismus und sonstigen Pazifismus freuen.
...ist die Pflicht zum Soldaten
"Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, daß bei der Notwendigkeit einer Statuonierung die Gegner der Nachrüstung, die Neutralisten, behaupten würden, die Wähler hätten davon nichts gewußt und müßten nun gefragt werden. Es entspricht aber meiner demokratischen Grundüberzeugung, den Wählern zu sagen, was sie erwartet." (Kohl)
Erstens steht die Notwendigkeit der Nachrüstung auf keinen Fall zur Disposition des Wählers weil man zweitens dazu bloß seine Zustimmung haben will, die drittens dai Mittel ist, jede Kritik an der "Nachrüstung" mit dem Hinweis auf die wie immer schweigende Mehrheit zu verbieten.
Für die Verteidigung des Friedens in Freiheit ist die Frage nach dem Nutzen einer Freiheit, für die man auch noch draufgehen soll, nicht mehr erlaubt, sondern ein unabdingbares Dafürsein gefordert. Zweifel an der Friedensliebe dieses Staates machen sich des Vaterlandsverrats verdächtig, weil sie dem Feind nützen, denn ein Wörner weiß um die Tugenden und die Geisteshaltung eines Volkes, die es für seinen Einsatz im Kampf um die NATO-Weltherrschaft braucht.
"Die bestausgerüstete und bestausgebildete Armce der Welt ist nichts wert, wenn sie nicht vom festen Willen des Volkes getragen wird, für seine Freiheit einzustehen."
Der Vorwurf der Wehrkraftzersetzung an die Friedensbewegung ist so der Auftakt für ein nationales Erziehungsprogramm zu völkischer Wehrbereitschaft nach innen wie nach außen.
Kleine Kinder werden ganz offiziell wieder damit belästigt, daß der Mensch seine wahre Größe immer dann beweise, wenn er sich freiwillig für die höheren Prinzipien herrschaftlicher Gewalt opfert, und dürfen Aufsätze über "Sinn und Notwendigkeit der Landesverteidigung" schreiben. In Form von öffentlichen Rekrutenvereidigungen und großen Zapfenstreichen darf das 'Ja zu Deutschland' als das Gefühl schicksalhafter Verbundenheit mit der Nation eingeübt, Sinn und Wert des Opfers für den Staat als freiwillige Begeisterung für den staatlichen Gewaltapparat gefeiert werden.
Wenn Verteidigungsminister Wörner entdeckt, "das Wichtigste bei mir ist der Soldat", dann deshalb, weil er weiß, daß das Schlachtenglück nicht zuletzt von der Bereitschaft des Soldaten zur Selbstaufgabe abhängt, und "das ginge nicht ohne Idealismus und Freude am Soldatenberuf".
Dafür wird heute ein Verteidigungsminister gewählt, damit er dem Volk wieder öffentlich sagen kann, daß es seine Soldaten lieben soll, denn
"die Soldaten der Bundeswehr sind schließlich nicht irgendwelche Soldaten, es sind unsere Soldaten. Junge Männer aus unserem Volk, die für dieses Volk, für seine Freiheit und seine rechtsstaatliche Demokratie dienen. Es ist eine pure Selbstverständlichkeit, daß sie dies vor unserem Volk geloben. So empfindet (!) es auch die überwältigende Mehrheit unseres Volkes."
Die Bundeswehr ist wieder anerkannte Schule der Nation, weil es daheim wie an der zukünftigen Front wieder auf die soldatischen Tugenden des Bürgers ankommt. Die staatliche Beanspruchung von Leib und Leben seines Volkes für seine gewalttätigen Zwecke auf der ganzen Welt darf sich das Volk als Gebot einer nationalen Einheit von Volk und Führer zu Herzen nehmen. Es darf jeder wieder einsehen, daß seine Existenz ohne die seines Staates nicht zu haben ist, weshalb dessen Freiheit eines jeden Menschen höchstes Gut zu sein hat. Dafür ist auch jedes Opfer eine Auszeichnung der Würde des Menschen, und jede von oben gewährte Freiheit darf im dankbaren Ehrendienst an Staat und Nation ihre Erfüllung finden.
Mit Faschismus will das niemand verwechseln, weil über den das Urteil feststeht, daß er beim Einsatz all dieser Tugenden so kläglich versagt hat, und keiner nicht gewußt hat, wofür. Das war natürlich Mißbrauch des Volkes! Heute erzählen die Politiker dem Volk schon wieder genau, wofür sie es gebrauchen wollen.