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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1981 erschienen.

Systematik


RUNDUM ERFREULICH

entwickelt sich hingegen eines der Lieblingskinder der MSZ-Wirtschaftsredaktion, nämlich die OTRAG. Der Initiator dieser Firma, der Raketen-Fan Lutz Kayser, weiß, daß das A und O seines Ladens die Vortäuschung, vornehm auch: Repräsentation, ist. Gerade die Ausgefallenheit seines Geschäfts nötigt ihm einigen Erfindungsreichtum ab:

Er gibt nämlich tatsächlich vor, Raketen auf privater Basis und in großem Stil entwickeln und bauen zu wollen. Die unerfreulichen Ereignisse im Kongo, über die auch wir den Mantel des Schweigens breiten wollen, hat er durch einige kluge Schachzüge vergessen gemacht. Bei ihm geht es ja darum, von der Bundesregierung resp. dem Forschungsministerium einen Persilschein ausgestellt zu bekommen, der da heißt: Abschreibungsgesellschaft. Das eher moderate Interesse des bundesdetitschen Staates an diesem Projekt hat sich soweit konkretisiert, als Herr Kayser den Kapitalgebern eine Verlustzuweisung von 200% überweisen darf, was nichts anderes bedeutet, als daß jene Kapitalgeber diese steuerlich geltend machen dürfen. Bei den Spitzensteuersätzen macht sich dieser Verlust - oh Steuerrecht! - als Gewinn bemerkbar, auch wenn (eine fast überflüssige Bemerkung) überhaupt noch nichts hergestellt worden ist. Insofern ist für dieses Unternehmen die staatliche Zustimmung, die Aufrechterhaltung eines Interesses an diesem Schuß in die Sterne allererste Voraussetzung.

Zur Demonstration der zu Optimismus berechtigenden Geschäftsverläufe bedient er sich fleißig - erste Pläne sind selbstverständlich schon seit längerer Zeit vorgelegt seines Privatjets, besucht die Salzburger Festspiele, diniert bei Karajan, besitzt eine Villa an der Costa Smeralda und weist eine Urlaubseinladung beim österreichischen Bundeskanzler, pardon, künftigen Bundeskanzler Androsch vor. Dies alles auf Hochglanzpapier in der Snob-Zeitung "Transatlantik", nachdem es ihm gelungen ist, seine natürliche "Pressescheu" zu überwinden. Die Ablichtung von merkwürdig leeren Fabrikhallen in Garching und von unbeschäftigten Sekretärinnen tut der Absicht keinen Schaden, wird es das anlagebereite und anlegende Publikum schon richtig verstanden haben: daß nicht der Gerichtsvollzieher die vielen Maschinen abgeholt hat, die Firma also pleite ist. Wie praktisch, wenn man nie Maschinen hatte. Die bloße Meldung, daß Fabrikhallen vorhanden sind und daß es obendrein einen Raketenstartplatz gibt, reicht ja völlig.

Insbesondere letzterer dürfte eventuelle Zweifel der Bundesregierung vorläufig gedämpft haben. Da ist dem Herrn Kayser nämlich ein fast genial zu nennender Coup gelungen, um die Beteuerung "Es rührt sich 'was!" mit einem Glanzlicht zu versehen. In Libyen hat er von diesem Herrn mit dem vielen Öl einen mächtigen Landstrich gratis überlassen bekommen, wofür er nur das Versprechen abgeben mußte, daß dieser Herr mit dem Öl an den eines Tages entwickelten Raketen schon auch irgendwie beteiligt sein wird.

Und jetzt kommt überhaupt der Punkt, wo alle Zweifel an diesem Unternehmen zerstieben sollten: Auf dem zur Verfügung gestellten Gelände befinden sich Titan, Chrom und andere Edelerze! Dieses Zeug läßt Herr Kayser von den herumlungernden Negern im Tagebau und praktisch mit bloßen Händen in Säcke kratzen und mit den Flugzeugen der OTRAG - das nennt man Stil! - in die interessierten Metropolen transportieren. Geringste Anlagekosten, guter Gewinn, Auslastung der Luftflotte - und außerdem braucht man Titan ja unbedingt zum Raketenbau...

Nicht nur, weil er Erfolg hat, sondern aufgrund seiner Originalität und Wendigkeit, haben wir unter den vier Kandidaten Herrn Kayser zum Empfänger des Preis-Zitats gewählt:

"Der Kredit bietet dem einzelnen Kapitalisten oder dem, der für einen Kapitalisten gilt, eine innerhalb gewisser Schranken absolute Verfügung über fremdes Kapital und fremdes Eigentum und dadurch über fremde Arbeit. Das Kapital selbst, das man wirklich oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum Kreditüberbau. ... Der Phrase von der Entsagung schlägt sein Luxus, der nun auch selbst Kreditmittel wird, direkt ins Gesicht."

(Das Kapital, Bd. 3, S. 454 f.)