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Dislozierung amerikanischer Streitkräfte im Nahen Osten
DER AUSBAU EINES KRIEGSGEBIETS
Seit dem Verlust des amerikanischen Stützpunktes Iran und der Entscheidung, "alle notwendigen Mittel" einzusetzen, "die vitalen Interessen am Persischen Golf" (Carter Doktrin) zu schützen, haben die USA es nicht dabei belassen, in ihren eigenen Wüsten eine "schnelle Eingreiftruppe" von 300.000 Mann auszubilden, die bis Mitte 1981 voll einsatzfähig sein soll. Sie haben begonnen, die Region des Nahen Ostens durch Militärstützpunkte, Waffenlieferungen und gemeinsame Manöver mit den Armeen der dortigen Staaten zu ihrer militärischen Bastion auszubauen.
über die Ergebniaae dieser Anstrengungen urteilt 'The Middle East':
"Eins ist sicher. Mit den Entwicklungen am Golf fühlt sich Moskau jetzt bestätigt, daß seine Aktion in Afghanistan 'rechtzeitig und weise' kam, einen festen strategischen Punkt für sich zu sichern, während alles andere in der Region sich ändert." (12/1980)
Wenn die das schon so sehen.
"SPIEGEL: Die Amerikaner sehen das als Antwort auf ihr Vorgehen in Äthiopien, Aden, Angola...
FALIN: Wie die Amerikaner das nach außen begründen und wie sie handeln, sind zwei verschiedene Dinge. Wie es gemeint ist, können Sie an den Worten Brzezinskis ablesen, der gesagt hat, die Amerikaner seien seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa und im Fernen Osten ständig militärisch präsent. Jetzt, so Brzezinski, seien sie in der Lage, ihre militärische Präsenz auf einem dritten Feld, im Nahen Osten, zu etablieren." (Spiegel, 51/1980)
Die Redeweise von "unserem Öl" in dieser Region ist kaum fünf Jahre alt und geht einher mit der Erklärung dieses Gebietes zur "westlichen Interessensphäre". Nicht, daß die USA dort vorher nicht militärisch präsent gewesen wären und ihre bewaffnete Macht zur Lösung staatlicher Streitfragen zu ihren Gunsten eingesetzt hätten; jetzt aber gestalten sie die Beziehungen zu den Staaten des Nahen Ostens in einer Weise, die nicht nur die UdSSR auf die Idee bringt, sie werde von den USA "ausmanövriert", wie es der "Spiegel" ausdrückt.
"Der Grund für den Ärger: 'die Versuche des Westens, das Gleichgewicht der Kräfte über den Haufen zu werfen und Völkern von einer Position militärischer Überlegenheit aus seinen Willen aufzuzwingen.'" (Breschnew in Indien, Newsweek, 22.12.1980)
Wenn es der Regierungschef der SU für wichtig befindet, gleichzeitig zur Ministerratstagung der NATO, auf der mögliche "Reaktionen" auf eine anstehende Intervention in Polen erörtert und bekanntgegeben werden, außer Landes auf Indien zu fahren, um dort seine "Breschnew-Doktrin" bezüglich der Lage im Indischen Ozean der Weltöffentlichkeit bekanntzugeben, dann hat ein 70-jähriger Staatsmann nicht plötzlich kalte Füße von der eigenen Politik bekommen und sucht von Polen und Afghanistan 'abzulenken', indem er für die Errichtung einer 'Friedenszone' im Indik plädiert und eine "Doktrin für Frieden und Sicherheit" im Persischen Golf aufstellt. Die Sowjetunion bekundet hier, welche ihrer Interessen zur Zeit von den USA tangiert werden; und es hält auch niemand den Kremlchef für einen Friedensheini, wenn er einen Friedensvorschlag macht und damit seinen Anspruch vorträgt, daß die gegnerische Weltmacht sich mit ihm über bestimmte Fragen einigen sollte.
"Die Botschaft Breschnews war jedoch alles andere als friedlich. Er stellte wachsende Spannungen fest - im Mittleren Osten, Persischen Golf, in Afghanistan, dem Indischen Ozean und Süd-Ost-Asien." (Newsweek, 22.12.1980)
Angesichts der geschaffenen Tatsachen wird die Offerte allerdings als schlicht abwegig behandelt.
"Ein Sprecher der Carter-Administration wies den Vorschlag als 'vage, unbillig und unpraktizierbar' zurück."
Gegen den Wunsch, "keine fremden Militärbasen" zu errichten und "Nuklear- oder andere Massenvernichtungswaffen nicht zu stationieren", steht der praktizierte Wille der USA, den Nahen Osten für sich militärisch auszubauen. Ebenso stößt der Vorschlag, die "Souveränität der Staaten am Persischen Golf" zu wahren, hinsichtlich der betriebenen amerikanischen Aufrüstung der Region ins Leere, weil die USA keinen Krieg führen müssen, um sich militärisch zu etablieren; und bezüglich des Zwecks der Aufrüstung, Kriege dort zu führen, wo sie nötig werden, geben die USA keine Enthaltsamkeitserklärung ab, ganz im Gegenteil.
Einseitige Nahost-Regelungen
Die Sowjetunion erkennt mit ihrem Vorstoß für "Frieden und Sicherheit" an, daß die USA inzwischen Fakten geschaffen haben, die ihr weitgehend verunmöglichen, politischen Einfluß zu nehmen.
"Falin: Wir taten alles, um diesen Konflikt (Nahostkrieg 1973) zu vermeiden, wir sind bis zum Äußersten gegangen, um Ägypten zurückzuhalten. Der Westen hat uns das nicht honoriert. Am Ende des Krieges beschlossen die Amerikaner, daß die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion keine Priorität mehr habe. Sie waren damals nicht bereit, gemeinsam mit uns eine politische und dauerhafte Lösung durchzusetzen. Die Amerikaner, genauer gesagt Kissinger, kamen damals offenbar zu der Überzeugung, Sadat biete ihnen etwas, was sie allein machen könnten."
Das Angebot der UdSSR, im Nahen Osten Weltpolitik als gütliche Einigung der Großmächte darüber zu betreiben, was man den souveränen Nahoststaaten erlauben will, ist von den USA übergangen und für ihre Absichten ausgenützt worden, mit dem Resultat, daß im Nahen Osten ein Krisengebiet neuer Art entstanden ist. Es handelt sich hier nicht mehr um den alten Krisengürtel, in dem Staaten die Fronten gewechselt, selbst miteinander Krieg geführt haben etc. und Weltmächte um ihren Einfluß konkurrierten. Der Westen deklariert vielmehr den Nahen Osten als Krisengebiet, in dem die eigenen Interessen tangiert sind, integriert ihn in seine Verteidigung und baut eine Front auf. Auch wenn die SU Vorschläge des Inhalts macht, daß sie einen Zustand, in dem ihre Mitsprache selbstverständliches politisches Faktum war, wiederhergestellt sehen möchte, damit also auch anerkennt, daß jetzt jede ihrer Forderungen als Einmischung zählt, gibt sie ihren Anspruch auf politische Zuständigkeit für die Region und ihre Einflußnahme nicht auf; der Unterschied besteht darin, daß sie in dem Gebiet, über das sie als Weltmacht mitzureden gedenken, nicht mehr präsent sind, während die USA dort einfach aufrüsten.
Unter dem Verteidigungsschirm
Mit der Erklärung des Nahen Osten zur amerikanischen Interessenssphäre hat sich auch für die dortigen Staaten einiges an ihrem Handlungsspielraum geändert. Wenn auch vor dem Frontenwechsel Ägyptens, der Revolution im Iran und der Besetzung Afghanistans die USA gegenüber der UdSSR im Vorteil waren, weil mit ihnen das Geschäft gemacht wurde, bestand für die Nahoststaaten die Möglichkeit, Politik als Hin und Her zwischen den Weltmächten zu betreiben, je nach dem, was diese ihnen angeboten haben. Mittlerweile haben sich die USA als Schutzmacht etabliert, nicht mehr nur für Israel und Ägypten. Afghanistan wird zum "Argument", daß weiterer Schutz für Saudi-Arabien und die Scheichtümer nötig ist, weil die UdSSR offensichtlich eine "Zangenbewegung" in Richtung Nah-Ost vorhabe. Der Krieg zwischen Irak und Iran führt zur diplomatischen Zurückdrängung der SU, da sie das Mittel der Waffenlieferung zur Erhaltung der Freundschaft mit beiden Staaten trotz Beistandspakt nur beschränkt einsetzen kann, wenn sie nicht gleich eine ganz andere Sorte Konflikt anzetteln will. Den USA nützt er, die letzten Ressentiments gegen die Amis zu zerstreuen, aus denen die Ölstaaten vormals ihr nationales Selbstbewußtsein bezogen. Nunmehr bewegen die USA diese Staaten ganz souverän dazu, AWACS zu stationieren, Stützpunkte bereitzustellen usw., da es angesichts der geänderten Bedingungen zur nationalen Pflicht wird, amerikanische Militärhilfe ins Land zu holen, will man nicht gegenüber den Nachbarstaaten ins Hintertreffen geraten.
Mit der Unterstellung unter amerikanische Schirmherrschaft ist es mit gewissen Freiheiten der Nahoststaaten, unabhängig vom Kalkül der Weltmacht Nr. 1 den eigenen Nationalismus zu verfolgen, vorbei. Kein Staat kann es sich leisten, sich die USA oder den Westen erklärtermaßen zum Feind zu machen. Einem Freundschaftsvertrag Syriens mit der SU folgt sofort die Sondierung engerer Bindungen zur EG. Militärische Aufrüstung der Region heißt wiederum nicht, daß den unterstützten Staaten mit dem Militär ein größerer Handlungsspielraum verschafft wird, noch wird einer von ihnen zum "Polizisten" aufgestückt. Nicht die souveränen Nationen werden hier als Garanten der Sicherheit aufgebaut, sondern die USA pflegen mit allen gleichermaßen Freundschaft und militärische Zusammenarbeit dergestalt, daß sie nach ihren Bedürfnissen überall Stützpunkte und eventuell ein paar Hilfstruppen haben. Die Eifersüchteleien und Bekriegereien der Nahoststaaten sind damit nicht aus der Welt geschafft, sondern erhalten in den Sonderkonditionen, die jeder Staat aus den Beziehungen zu den USA herausschlagen will, neue Nahrung. Mit der Errichtung der realen Herrschaft der USA über die Region verschwindet darüberhinaus das mäßigende Band, das sich die arabischen Staaten in der Mission einer gemeinsamen Politik gegen die USA und Israel geschaffen hatten. Nunmehr tragen die arabischen Staaten ihre Scharmützel ohne den Maßstab aus, an dem sie bisher ihre internen Querelen relativiert haben, in dem Rahmen, wie er ihnen von den USA erlaubt wird, und darin um so ungehinderter gemäß dem Maßstab, der die jeweilige nationale Aufgabe vorschreibt. Die russische Beschwerde, daß ohne ihre Mitwirkung in der Region alles viel 'explosiver' geworden sei, ist insofern nicht ganz unrichtig. Aber seit wann ist es die Aufgabe der Weltmächte, 'Krisenherde einzudämmen'?
Nordatlantische Verteidigung im Persischen Golf
Die USA betrachten die Errichtung einer Nah-Ost-Front als Aufgabe der freien Welt, wozu die Bündnispartner ihren Beitrag zu leisten haben.
"Die Minister erkannten den Nutzen an, der sich aus den politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen vieler Mitgliedstaaten zur Verbessenng der Stabilität in Südwestasien sowie aus den Maßnahmen der Vereinigten Staaten und anderer Staaten zur Dislozierung von Streitkräften im Gebiet des Indischen Ozeans und des Persischen Golfs für den Schutz westlicher Interessen, aller Mitgliedstaaten ergibt. Sie stellen darüber hinaus die Bedeutung der Verfügbarkeit von Transiteinrichtungen fest.
Die Minister nahmen die Ernstfallplanung der Vereinigten Staaten für die Dislozierung ihres Eingreifverbandes im südwest-asiatischen Raum zur Kenntnis. Sie waren übereinstimmend der Auffassung, daß es wesentlich sein würde, sich auf den Fall einer möglichen Verlegung von NATO-assignierten Streitkräften vorzubereiten, zu der sich die Vereinigten Staaten und andere Länder gezwungen sehen könnten, um die lebenswichtigen Interessen der Mitgliedstaaten außerhalb des NATO-Vertragsgebiets zu schützen. Bei der Erörterung der Auswirken, die dies unter bestimmten Umständen auf die NATO-Pläne für die Verstärkung Europas haben würde, bekräftigten die Minister der beteiligten Staaten die Absicht ihrer Länder, die seitens der Aufnahmestaaten erforderlichen Maßnahmen zur Erleichterung der Aufgabe und des Einsatzes der zur Verstärkune bestimmten Streitkräfte zu treffen. Die Minister erkannten an, daß die sich entwickelnde Situation eine geeignete Arbeitsteilung innerhalb der NATO bedingen würde." (Kommunique der Ministertagung des Verteidigungsausschusses der NATO, 9. und 10.12.1980).
Daß das Grundgesetz einer "geeigneten Arbeitsteilung" für den Einsatz der NATO in Südwest-Asien entgegenstehen würde, ist ein reines Gerücht. Es sieht "ausdrücklich" vor:
"Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System kollektiver Sicherheit einordnen." (GG, Art. 24)
Und über das 'Krisengebiet' Naher Osten werden zur Zeit ja einige Klarstellungen gemacht.
Muß man Freunden in Krisengebieten im Grunde helfen, und den Saudis Panzer schicken.
Sollte man in der Außenpolitik den Begriff des "Nationalen Interesses" als moralischen Maßstab angeben (CDU/CSU Fraktionsführer Jenninger), schließlich kommt auch "unser" Öl aus dem Nahen Osten.
Stellt sich der Kanzler hin und verkündet, daß man die Panzer natürlich nicht ohne die Zugabe von Militärberatern liefern könne.