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WAS IST DIE "NEUE BEWEGLICHKEIT"?
Unter diesem Stichwort hat die IG Metall jetzt ihre Warnstreiks angezettelt: Sie wollte das Konzept der "Neuen Beweglichkeit" einmal ausprobieren. Eingefallen ist ihr das neue Konzept, weil ihr aufgefallen ist, daß es erstens die alten Schwerpunktstreiks für alle Beteiligten nicht bringen: Die IG Metall muß Streikgelder zahlen, obwohl die Mitgliederbeiträge dazu doch wirklich zu schade sind; die schwerpunktmäßig bestreikten Betriebe können den gewohnten Ausbeutungsgang nicht fortsetzen, was "der Wirtschaft" schadet; und schließlich könnten bei solchen Streikaktionen vielleicht immer noch irgendwelche irregeleiteten Mitglieder auf die Idee kommen, die Tarifabschlüsse müßten doch schon in einem angemessenen Verhältnis zum eingesetzten Kampfmittel stehen. Als ob deswegen gestreikt würde! Zweitens ist die IG Metall der Meinung, das Tarifvertragsgesetz und die Schlichtungsregelungen, die den Einsatz von "Kampfmitteln" erst nach Ausschöpfung aller denkbaren Verhandlungsstrategien vorsehen, seien ziemlich überholt. Und zwar deswegen, weil diese Regelungen doch tatsächlich noch davon ausgehen, daß die Gewerkschaft mit Arbeitsverweigerungen dem Kapital echt ans Leder wolle. Wovon wirklich nicht die Rede sein kann! Deswegen erlaubt sich die IG Metall jetzt auch ohne Schlichtung und Urabstimmung ihre Warnstreiks, die von ihr sogar ganz offiziell nicht als "Erzwingungsstreiks" gewertet werden. So ein Arbeitskampf, der vom Kapital von vornherein gar nichts "erzwingen" will, gibt der IG Metall eine ganz "neue Beweglichkeit" und dem Kapital die Sicherheit, daß dies nicht auf seine Kosten geht. Denn:
- Bewegt werden zunächst einmal die Arbeiter, und zwar vornehmlich auf den Straßen rund um das Werk.
- Immer und überall läßt sich dieses öffentliche Herumlatschen, "Warnstreik" genannt, ansetzen, weil Urabstimmungen nicht nötig sind: Die IG Metall ist sich des bedingungslosen Gehorsams der Mitglieder da völlig sicher.
- Nicht bewegt werden in der Zeit des "Warnstreiks" die Produktionsanlagen, dafür bewegen sich die Arbeiter vor und nach ihrem Ausflug dort umso geschwinder.
- Es soll also das Kapital auch zu nichts bewegt werden. Denn offensichtlicher läßt sich ein "Kampfkonzept" gar nicht mehr als Strategie der Schadensvermeidung fürs Kapital anlegen.
- Ohne Bewegung in den Gewerkschaftskassen geht der Warnstreik auch aus. Den Lohnausfall haben die Leute in Kauf zu nehmen. Was tut man nicht alles, um nicht den Zorn der Gewerkschaft auf sich zu ziehen. Außerdem macht sich in der Öffentlichkeit ein "Streik" besser, der nichts als Verluste bringt. Das entkräftet jeden Verdacht, dem Arbeiter ginge es dabei um was Materielles.
- Die einzige Bewegung, die in der Gewerkschaftsbilanz zu verzeichnen ist, ist eine Einnahmenbewegung nach oben. Denn so ein Warnstreik läßt sich sehr gut mit einer Streikwarnung gegenüber den Mitgliedern verbinden: Die sollen sich überlegen, ob sie bei ihrem monatlichen Gewerkschaftsbeitrag mit dem Streikgeld überhaupt über die Runden kommen können oder ob nicht eine Beitragserhöhung zwecks Aufbesserung des Streikgeldes angebracht ist. Das ist doch mal was Neues: ein Warnstreik, der gegenüber den Streikenden selbst als Druckmittel eingesetzt wird.
- Dafür fällt die Bewegung im Portemonnaie des Arbeiters regelmäßig eindeutig nach unten aus.
- Und abschließend geben die IG Metall-Funktionäre im Fernsehen ganz bewegt Sieges- und Erfolgsmeldungen zum Besten.
Das ist das Konzept der "Neuen Beweglichkeit", für dessen Erprobung die diesjährige Tarifrunde dient. Nätürlich mit Erfolg. Denn die Probe hat geklappt: Ohne nach Anlässen, Gründen, Zwecken und Zielen zu fragen, trotteten Hunderttausende von westdeutschen Arbeitern pflichtbewußt hinter ihrer Gewerkschaft her, schleppten blödsinnige Spruchbänder mit und standen sich als Kulisse für Funktionärsansprachen die Beine in den Bauch. Und alles nur für die Gewerkschaft, die es nämlich für ratsam hält, gelegentlich auf der Straße vorzuführen, wer diejenigen sind, die im Betrieb willig die Knochen hinhalten, wenn es um den Reichtum für Kapital und Staat geht, und sich dafür mit Reallohnsenkungen per Tarif, Steuern und Preiserhöhungen abspeisen lassen.
Marxistische Arbeiterreitung (MAZ) der MARXISTISCHEN GRUPPE in Bremen, Ausgabe Daimler-Benz