Info
KSZE:
DIE ENTSPANNUNG WIRD VON TAG ZU TAG UNBEZAHLBARER
"Unter Bekräftigung ihres Zieles, bessere Beziehungen untereinander zu fördern sowie Bedingungen zu gewährleisten, unter denen ihre Völker in echtem und dauerhaftem Frieden, frei von jeglicher Bedrohung oder Beeinträchtieune ihrer Sicherheit leben können;
Überzeugt von der Notwendigkeit, Anstrengungen zu unternehmen, um die Entspannung im universellen Sinne sowohl zu einem dauerhaften als auch zu einem immer lebensfähigeren und umfassenderen Prozeß zu machen und überzeugt davon, daß die Durchführung der Ergebnisse der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein bedeutender Beitrag zu diesem Prozeß sein wird..." (Schlußakte der KSZE vom 1.9.1975),
sind die Teilnehmerstaaten in die dritte Runde gegangen. Solche Töne, wie sie der "Geist von Helsinki" den Teilnehmerstaaten eingab, sind allerdings aus Madrid nicht zu vernehmen. Man erfährt kaum, daß die 2. Folgekonferenz immer noch zäh und unentwegt vor sich hin tagt. Schließlich hat der unbedingte Entspannungswille der westlichen Teilnehmerstaaten mittlerweile die "Unteilbarkeit der Entspannung" so offensiv "umfassend" definiert, daß sie mit jeder Aktion der UdSSR und eigentlich auch ohne auf dem Spiel steht. Da ist es begreiflich, daß die KSZE, die unter dem Titel der Völkerversöhnung und Friedenssicherung veranstaltete Erpressung der SU auf dem Verhandlungsweg für die öffentliche Einstimmung auf die neue Phase der Ost-West-Politik weniger geeignet ist.
Das bedeutet jedoch nicht, daß sich nicht auch aus dieser nicht mehr ganz zur Weltlage passenden Institution ein politischer Gewinn schlagen ließe; dafür bürgt das unbedingte sowjetische Interesse, die KSZE nicht sterben zu lassen und den Beweis zu erbringen, daß der Verkehr auf dem Verhandlungsweg weiter möglich ist. Im übertriebenen Stil der Ostpolitiker:
"Wir sind mit einem einzigen Mandat nach Madrid gekommen: mit dem, dafür zu sorgen, daß die Entspannung ausgeweitet wird." (Der sowjetische Chefunterhändler Iljitschow)
Dafür muß die SU zahlen.
Verurteilung
Eröffnet überhaupt nur unter der Bedingung, daß mit Einwilligung der SU erst einmal ein 3-wöchiges Tribunal gegen sie veranstaltet wurde, fortgesetzt über die vereinbarte Frist hinaus mit eben derselben Veranstaltung, genannt Implementierung, d.h. Überprüfung der Einhaltung der Schlußakte, hat die KSZE ununterbrochen die Menschenrechtswaffe zum Einsatz gebracht. Dank der unbestreitbaren Tatsache, daß es in der SU nicht demokratisch zugeht, dieselbe sich jedoch um der Entspannung und ihrer erhofften Voiteile willen in der Schlußakte auf die Herrschaftsprinzipien der Demokratie verpflichtet hat, läßt sie sich immer und je nach Bedarf als vertragsbrüchig verurteilen. Wer vertragsbrüchig ist, muß dafür geradestehen:
"Man ist sich einig, daß Moskau sich bewegen muß, bevor zur Tagesordnung übergegangen werden kann."
So hat der Westen allein für die Zulassung einer Debatte über die östlichen Abrüstungsprojekte gleich Vorleistungen gefordert. Um so etwas wie eine europäische Abrüstungskonferenz überhaupt nur ins Auge zu fassen, noch ganz unabhängig davon, um was es da überhaupt gehen soll, braucht es einen eigenen Beweis der sowjetischen Verhandlungsbereitschaft und -würdigkeit in Gestalt der Erweiterung der vertrauensbildenden Maßnahmen bis zum Ural, d.h. die zugesicherte Kontrolle aller Militärbewegungen im europäischen Teil der SU.
Uneinigkeit im westlichen Lager -
"Kampelman (der US-Delegierte) erwähnt die Abrüslungskonferenz (französischer Vorschlag, unterstützt von der BRD) überhaupt nicht. Seine Delegation werde auch weiterhin Afghanistan/Menschenrechte ansprechen, auch wenn diese nicht auf der Tagesordnung stehen."
schadet dabei nicht. Im Gegenteil: Im März verkündet Genosse Breschnew vor dem Parteitag der KPdSU die Zustimmung zur Erweiterung der militärischen Einsichtnahme in sein Vaterland.
"Allerdings erwarte die Sowjetunion umgekehrt vom Westen eine entsprechende Ausdehnung."
Empörung im Westen:
"Es ist unüblich, auf Konzessionen mit Gegenleistungen zu reagieren." (Kampelman)
Es ist nicht einmal eine Konzession: KSZE = Europa = geht Europa nun bis zum Ural oder nicht?
"Moskau könne keinen Preis dafür verlangen, wenn es nun endlich akzeptiere, daß eine europäische Abrüstungskonferenz auch ganz Europa vom Atlantik bis zum Ural umfasse."
Gegenleistungen sind also umgekehrt schon aus rein geographischen Gründen nicht möglich:
"Die Definition Europas werde so etwas kaum möglich machen."
Und überhaupt:
"Die Ankündigung der SU, Moskau sei, wenn auch Kanada und die USA eingeschlossen würden, bereit, den asiatischen Teil ihres Territoriums plus China und Japan einzubeziehen, wurde vom Westen als völlig irreales Ablenkungsmanöver betrachtet."
Die BRD:
"Die SU stellt immer neue Vorbedingungen und verzögert so eine mögliche Einigung."
Nachdem die SU darauf verzichtet, die erwartete Gegenleistung genauer zu definieren und so die Bereitschaft erkennen läßt, sich auf die westliche Forderung einzulassen, damit überhaupt die Zusage zu einer Abrüstungskonferenz noch kommt, fällt dem Westen die Schlußakte ein, die mit ihren 3 Körben unbedingt "Ausgewogenheit" erfordert.
Neue Bedingung:
"Fortschritte im Sektor der militärischen Sicherheit ohne entsprechende Schritte im Bereich der Menschenrechte kommen nicht in Frage." (Kampelman)
Kanada z.B. möchte eine Abrüstungskonferenz nicht ohne eine "gleichzeitige internationale Menschenrechtskonferenz", damit auch Chile, Südafrika und Südkorea sich einmal über Sacharow und die Afghanen aussprechen können. Die Niederlande und die Schweiz benötigen ganz dringend einen freien Journalismus im Ostblock und was ist mit Schtaranski, dem Zwangsumtausch und den kirgisischen Südmolukken? Und beim Besuch des Kanzlers in Washington schließlich hrben sich Schmidt und Reagan darauf geeinigt,
nisses" - von Entspannung redet nur noch der Osten - "wesentlich ist, auf der laufenden KSZE-Folgekonferenz in Madrid ein Einvernehmen über ein ausgewogenes und substantielles Schlußdokument zu erzielen, das größere Achtung für die Menschenrechte, vermehrten menschlichen Kontakt, freien Informationsfluß einschließt. In diesem Zusammenhang... als Bestandteil eines ausgewogenen Ergebnisses eine Einigung über ein präzises Mandat für eine Konferenz über Abrüstung in Europa..."
Bei der "Ausgewogenheit" ist natürlich an die östlichen Wünsche in Korb 2 nicht gedacht. Der Osthandel läuft und die weitergehenden Anträge des RGW sind doch wohl indiskutabel: Zu einer Zeit, wo in aller Öffentlichkeit der strategische Nutzen der Probleme diskutiert wird, die die SU im Bereich der Energieversorgung und des Transportwesens hat, ist es ja wohl ziemlich unverschämt, um westliche Investitionshilfen zu ersuchen. Zur "Ausgewogenheit" ist vielmehr der Korb 3 unbedingt auszubauen.
"Die Frage ist, welchen Preis Moskau für die von ihm seit langem anvisierte Abrüstungskonferenz bei den Prinzipien und im sensiblen Korb 3 (Humanitäres) zu zahlen bereit ist."
Schöner ist die Leistung der KSZE kaum mehr auszudrücken: Der Preis des bloßen Verhandelns, das die SU um der friedlichen Koexistenz willen mit allen Kräften zu retten bemüht ist, der Preis für die bloße Aussicht auf eine weitere Konferenz, auf der auch nur die Präliminarien für mögliches Weiterverhandeln zur Debatte stehen sollen, die Verifizierung der vertrauensbildenden Maßnahmen als Voraussetzung für mögliche Folgekonferenzen etc. etc., der erforderte Preis dafür ist das Einverständnis des Ostens, sich immer mehr in die interne Regelung seiner Herrschaft hineinreden zu lassen. Leistungen zu erbringen hat prinzipiell nur noch eine Partei auf der KSZE und zwar solche, die in ihrer immer unverschämter geforderten Konsequenz auf die freiwillige Demontage der Volksdemokratien hinauslaufen.
"Klare Formulierungen über die Respektierung der Menschenrechte":
allen Dissidenten die Freiheit geben, bürgerliche Parteien gründen lassen, freie Gewerkschaften, dazu vielleicht noch das Menschenrecht auf Privateigentum und freie Lohnarbeit?
"Informations-Freiheit": Löwenthal, Radio Liberty und Free Europe mit Sendestationen in Prag und Moskau: Nicht, daß es diese Errungenschaften an sich wären, die das freiheitliche Lager schätzt - an Südafrika oder Argentinien, nach der neuen amerikanischen Definition nur "autoritäre" und keine "totalitären" Staaten, würde eine KSZE nie scheitern. Die Unverdaulichkeit der Menschenrechte für die feindliche Herrschaft im Ostblock macht das Eintreten für sie in diesem Fall so absolut unbestechlich und prinzipientreu.
Prüfung von Ehr und Redlichkeit
"Substantielles" wollen Reagan und Schmidt, und vorangetrieben wird diese Totaloffensive mit der permanenten Bezweiflung der Glaubwürdigkeit des sowjetischen Verhandlungswillens. Da ist nicht etwa die westliche Position die reine Heuchelei - nachdem der amerikanische Delegierte erst einmal von Abrüstungskonferenz überhaupt nichts wissen wollte, ließ er sich zu einem sehr bedingten Placet zum französischen Vorschlag herbei, der ja die angenehme Vorleistung der SU zur Bedingung hat, was ihn aber auch nicht davon abhielt, Statements über die Fragwürdigkeit von Verhandlungen rnit der SU vom Stapel zu lassen, während gleichzeitig aus Washington die auch nicht gerade unklaren Bemerkungen über den internationalen Terrorismus verlauteten -, die SU ist es vielmehr, die mit praktischen Zugeständnissen ihre Glaubwürdigkeit beweisen muß:
"Die Europäer sind nicht bereit, den Sowjets von vornherein (!) zu untersteUen, daß ihnen ausschließlich an einer Propagandaveranstaltung gelegen sei."
Bei dieser in der puren Form von Verhandlungen vorgetragenen absoluten Kompromißlosigkeit des Westens in der Erpressung der SU hat sich die friedliebende BRD auch wieder einmal sehr verdient gemacht. Daß bezüglich des "sensiblen Korb 3" die SU so gut wie keine Verhandlungsmasse hat, will sie nicht gleich die bürgerliche Demokratie proklamieren, daß also die geforderten "substantiellen Ergebnisse" nicht zu erwarten sind, auf der anderen Seite der Westen auch nicht daran denkt, seine Bedingungen zurückzunehmen, läßt sich verhandlungstechnisch auch so formulieren: "Zeit darf keine Rolle spielen". (Genscher)
"Wenn die Sowjets, wie es die Amerikaner formulieren, die Kontinuität des Helsinki-Prozesses als 'Geisel' benutzen",
sich also auf den Standpunkt stellen, daß wenigstens irgendetwas herauskommen soll, dann läßt sich das doch gegen sie kehren. Wie der Journalist der "Süddeutschen Zeitung" voll Bewunderung für die weltpolitischen Leistungen seiner Obrigkeit berichtet:
"Der Westen hat seine Taktik auf hartnäckiges Betreiben der Bundesregierung überprüft und nach anfänglichen Klagen über die Verschleppungstaktik des Ostens (!) den Zeitfaktor für unwichtig er klärt."
Das war ein Einfall: Man hört einfach überhaupt nicht mehr auf mit der KSZE. Damit stellt man die Russen vor die Alternative, entweder auszuziehen, dann haben aber endgültig sie die Entspannung kaputtgemacht, oder sie lassen sich in irgendwelchen Punkten weiter kleinkriegen oder sie machen so zu wie bisher, was sie aber auch nicht wollen.
Daß den Delegierten bei dieser Veranstaltung der Atem ausgeht, ist nicht zu befürchten. Die ehernen Gesetze des Leistungslohns gelten bei ihnen ohnehin nicht, harte Arbeit wie nach 45 bekommen nur die Proleten um des lieben Friedens willen verordnet, und Langeweile kommt im schönen Madrid nicht auf. Der deutsche Delegierte, "ein Mann, der die Stadt, ihre Menschen und ihre Kultur mag", ist inzwischen schon "gerngesehener Gast in den Museen Madrids". Die Konferenz selbst läßt sich mit minimalem Aufwand bestreiten:
"Die Briten und die Amerikaner implementieren wieder, das heißt, sie halten Rückschau, wie die Schlußakte von den (?) Unterzeichnern eingehalten wurde (Afghanistan, Menschenrechte, Sacharow)."
Da bringen sogar schon die hiesigen Journalisten den westlichen Zynismus fast auf den Begriff:
"Wenn es einen internationalen Diplomatenpreis für Härte im Einstecken von Vorwürfen gäbe, dann müßte er dem stellvertretenden sowjetischen Außenminiter Iljitschow zuerkannt werden..."
"Auch die Journalisten interessieren sich kaum noch dafür, wie forsch der Amerikaner Campelman gerade zum 100. mal den Einmarsch der Soujets in Afghanistan verurteilt...",
was sich jedoch umstandslos auch wieder in die berufsübliche Speichelleckerei rücküber setzen läßt:
"...zeichnet sich die Haltung der NATO-Länder durch bemerkenswerte Geschlossenheit aus", geschickte (?) Kombination von Härte in der Sache und flexibler Verbindlichkeit in der For..."
Der besonders schöne Einfall unserer Sozialliberalen, den Zeitfaktor zu ignorieren, ist noch einmal extra zu würdigen: Bei weiteren hundertmalen Afghanistan von Herrn Kampelman (dem inzwischen vielleicht auch schon jemand erklärt hat, daß es sich dabei um ein Land und keinen Dissidenten handelt) in Madrid zu applaudieren und gleichzeitig die bundesdeutsche Politik als besonders zähes Ringen um Verständigung und Verhandlungen hinstellen - so geht sozialliberale Heuchelei. Bei Bedarf, um z.B. den Friedensfreunden beizubringen, daß sie gefälligst für die SPD und sonst nichts zu sein haben, wird sogar wieder einmal der KSZE-Idealismus gepflegt:
"...Sicherheitsinteressen der mittleren und kleineren europäischen Staaten durch die KSZE blockübergreifend in den Verhandlungsprozeß einbezogen... auszubauen..."
Und noch im selben Papier, abgefaßt zum Einkassieren der Friedensbewegung, steht die harte Wahrheit über die bundesdeutsche Friedensliebe:
"Die Bundeswehr stärkt, fest in der NATO eingebunden, durch ihre militärische Qualität die Vertretung unserer Interessen und die Mitsprache im Bündnis. Vor diesem Hintergrund war eine erfolgreiche Ostpolitik möglich, die im Westen kein Mißtrauen erregte und im Osten ernst genommen wurde."
Bei soviel Erfolg der BRD im NATO-Rahmen steht nicht zu erwarten, daß die KSZE vor dem nächten Krieg ein Ende nimmt. Allenfalls bewegt der interessante "atypische Lungenentzündungsvirus" vom amerikanischen Stützpunkt die kostbaren Repräsentanten des Entspannungswillens zu einem Ortswechsel.