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Dieser Artikel ist in der MSZ 6-1981 erschienen.
Erlanger Konstruktivismus 1967-1981
AUFSTIEG UND NIEDERGANG DER ERLANGER SCHULE
Mit dem Weggang von Prof. Schwemmer verliert die "Erlanger Schule der Wissenschaftstheorie" ihren letzten prominenten Repräsentanten am Ort. Gelegenheit für einen Rückblick auf die immer mehr im grauen Universitätsalltagssand verlaufende Geschichte des "Konstruktivismus".
Im Laufe dieser 14 Jahre hat die "Konstruktivistische Wissenschaftstheorie" allen Schein von Nützlichkeit ihrer Prinzipien für den Fortschritt der Wissenschaft, von Kritik am wahrheitsfeindlichen Pluralismus und selbst alles Vernunftpathos des Wissenschaftsreformers abgelegt. Geblieben ist dieser Philosophie das Bekenntnis zum eigenen Irrationalismus sowie die grundsätzliche Geringschätzung von Denken und Wissenschaft - wie sie eben für Philosophen sich gehört. Hatte man 1976 noch 'Denunziation' geschrieen, als die Marxistische Gruppe die Fehler dieser Philosophie zum ersten Mal angriff (Lorenzen, Wissenschaft mit Händen und Füßen. Fachbereichszeitung der MG Erlangen-Nürnberg, Juni 1976), so werden alle Fehler heute eingeräumt und stolz als das Selbstbewußtsein dieses Denkens bekannt!
Ob sich diese Denkschule zum Begriff ihrer eigenen Wissenschaftsfeindlichkeit aus Opportunismus an den reaktionären Zeitgeist oder aus Treue zum eigenen Fehler nun auch subjektiv hingearbeitet hat, ist schon gleichgültig. Heraus kommt, was sich in Vorkriegszeiten gehört, wo das Begreifen abdankt, und nur noch äußert, es begreife die Welt nicht mehr. Wissenschaft - so Schwemmer - ist auch nur eine, anderen keineswegs überlegene Art, sich die Welt zurechtzulegen.
1. Phase: Die Wissenschaftsreformer: Vorschule des vernünftigen Redens
In den Zeiten des "Fortschritts" - also dann, wenn die bürgerliche Gesellschaft die Leistung ihrer Bürger durch Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, durch Sozialstaat, Leistungslohn und Karriere flott macht, hat das rationale Denken Konjunktur: Die Wissenschaft gilt etwas, meint gar, sie bestimme den Fortgang der Dinge, streitet sich auch mal um die richtige Beurteilung einer Sache und kommt sich sogar politisch engagiert vor. In solchen Zeiten wird der philosophische Angriff auf die Wissenschaft in der Form einer Hilfestellung für ihren Fortschritt vorgetragen: Das nennt man Methodologie oder Wissenschaftstheorie. Die Grundaussage dieser Disziplin besteht darin, daß der schlechte Zustand der Geistes- und Sozialwissenschaften, den die Wissenschaftstheoretiker an ihrem Pluralismus merken, nie und nimmer durch wissenschaftliche Klärung der verschiedenen Auffassungen über Staat, Ökonomie und Seele erreicht werden kann, sondern nur durch einen radikalen Neuanfang, bei dem es um die Themen, auf die sich der Streit der Wissenschaftler bezieht, ausdrücklich nicht geht. LORENZEN und KAMLAH warfen der Wissenschaft 1967 in ihrer Vorschule des vernünftigen Redens (Logische Propädeutik) daher auch keinen einzigen Irrtum vor, sondern meinten, sie verfügte überhaupt nicht über die Voraussetzungen des Denkens:
"Woran es heute fehlt, ist nicht der geniale neue Einfall oder gar das avantgardistische Experiment - davon haben wir eher zu viel -, sondern die Disziplin des Denkens und Redens, die uns endlich ermöglichen würde, unsere hoffnungslos gegeneinander aufgefahrenen Standpunkte und Meinungen abzubauen und, in aller Ruhe sozusagen, miteinander, in vernünftigem Gespräch einen neuen Anfang zu machen." (I, 11)
Der Unsinn, der in der Geisteswissenschaft ja tatsächlich geredet wird, kann den Autoren bei aller ihrer Polemik kein echtes Problem gewesen sein, sonst hätten sie nicht die gleichen Wissenschaftler, die von ihren Standpunkten offenbar sehr überzeugt sind, aufgefordert, diese abbauen zu lernen, ohne ihnen zu beweisen, warum nun gerade ihr Standpunkt verkehrt sein soll. Eine Kritik, die der Wissenschaft Disziplinlosigkeit, Unklarheit vorhält, ist unsachlich, weil sie keine einzige Sachfrage entscheiden hilft, verdächtigt und entschuldigt zugleich, weil sie den Irrationalismus nicht in falschen, sondern in mißverständlichen Ergebnissen findet.
Die Wissenschaft - ein Mißverständnis
Freilich hätte man als Kritiker der pluralistischen Wissenschaft gerade noch merken können, daß sich die widersprechenden Auffassungen über die gleiche Sache nicht "hoffnungslos gegeneinander auffahren" können dadurch, daß keiner so recht weiß, was er sagen will, geschweige denn wüßte, wogegen er wäre (da könnte man sich ja ebenso leicht einigen, wie es gleich lassen - ist ja eh' wurscht!); aber die Idee mit dem Mißverständnis war nun einmal die Einbruchstelle der Wissenschaftstheorie in die Wissenschaft und mit dieser Berechtigung machte man sich an die Konstruktion eines neuen Fundaments für selbige: die Sprache.
"An den Terminus als Prädikator einer wissenschaftlichen Sprache stellen wir folgende Anforderung: Die Verständigung zwischen den Gesprächspartnern soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß der Redende den Prädikator anders verwendet als der Hörende (umgangssprachlich auspedrückt: daß sich der Hörende 'etwas anderes dabei denkt' als der Redende). Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Gesprächspartner vor der Verwendung eines Terminus gut daran tun, sich hinsichtlich eben dieser Verwendung ausdrücklich zu verständigen." (1, 70)
Die Logische Propädeutik ignoriert die Aussagen, die ein Wissenschaftler, beispielsweise mit einer Staatstheorie, sein ganzes Buch hin durch bekanntgibt, was er sich bei diesem "Terminus" denkt. Dagegen soll er "vor der Verwendung eines Terminus", also bevor er eine Staatstheorie gemacht hat, schon entscheiden, ob er unter "Staat" "wir alle" oder "das Instrument der herrschenden Klasse" verstehen will. Damit wird ihm verboten, mit Gründen erst zu seinem Urteil zu kommen und seine Leser oder Hörer, die sich "etwas anderes denken" - was im übrigen auch nicht daran liegt, daß sie das Wort anders verwenden, sondern daß sie eine andere Meinung zur gleichen Sache haben - mit Argumenten zu überzeugen.
So entpuppt sich das Anerbieten der Konstruktivisten, die falsche Wissenschaft durch Erinnerung an ihre Voraussetzung, die Sprache; zu kurieren, als die Auflösung der Wissenschaft: Daß Sprache Wissenschaftlichkeit nicht garantiert, ist keine Neuigkeit, sprechen doch Millionen Deutsche ihre Sprache ganz gut, ohne gleich Wissenschaftler zu sein; daß ausgerechnet sie aber Wissenschaftlichkeit garantieren müßte, ist eine Erfindung, die der Wissenschaft das, was sie vor dem sonstigen Reden auszeichnet, die Notwendigkeit ihrer Aussagen, raubt - und sie zu einer besonderen Art Redens macht, einer "methodisch kontrollierten".
Da nun nicht mehr die Notwendigkeit der Argumente - das wollten die Konstruktivisten ja erst erfinden, was das heißen soll, auch wenn sie schon wußten, daß die anderen schlechte Argumente hatten -, sondern die Wissenschafts-Sprache das Kriterium des Denkens sein sollte, fiel auf, daß die Sprache, wie es sie gibt, dazu nicht taugt, verhindert sie doch den Irrtum nicht rein grammatisch. Also braucht die Sprache selber ein Fundament, das Tun!
Das Hinzeigen auf ein Objekt mit dem Finger ist die Objektivität der konstruktivistischen Wissenschaft: Kontrollierte Erkenntnis wäre möglich, wenn sie sich auf dieses Deuten zurückführen, d.h. sich als ein bloß gesprochenes, abkürzendes oder auch allgemeineres Deuten deuten würde. Falsch - d.h. ohne konstruktivistisches Fundament - ist die Wissenschaft aber immer dann, wenn sie Wissenschaft ist, im Schließen, Begründen usw., welches in der Tat keine Abkürzung für häufiges Hinzeigen ist. Mit dieser antiwissenschaftlichen Erkenntniskritik hatten sich LORENZEN und seine Schüler während der kritischen Jahre in wissenschaftliche und politische Debatten störend eingemischt, ihnen die sachliche Schärfe mit ihrem "Ihr-versteht-euch-bloß-nicht" geraubt und eine neue Schärfe der Kontroverse auf ihre Art aufgemacht: Ihr könnt über diese Sachen sowieso noch nicht sauber reden!
Der Meister stieß seine Kollegen auf Philosophenkongressen durch Intoleranz vor den Kopf und seine Anhänger fielen in allen Seminaren durch härtnäckige Kannitverstan-Pose und die kopfschüttelnde Selbstgewißheit eines Rufers in der Wüste der Unvernunft auf. Dem Dogmatismus, der Argumente gegen das konstruktivistische System nicht gelten ließ, solange sie seine Sprachregeln nicht befolgten, war schwer auszukommen; andererseits hatte er auch kein Argument für sich, außer "unserem Vorverständnis" der Verständigungsbereitschaft, das dem "böswilligen oder schwachsinnigen" Gegner moralisch um die Ohren geschlagen wurde. Sowohl dieser Dogmatismus, wie auch das Vernunftpathos, das von der gegen die Wahrheit gleichgültigen Wurschtigkeit bürgerlicher Wissenschaftler abstach: beides kommt SCHWEMMER heute als recht lächerliches Mißverständnis einer Wissenschaftstheorie vor.
II. Meta, Meta, Meta - Fundamentalisten sind salonfähig
Daß es mit der Reform der Einzelwissenschaften nie so emst gemeint war, daß die in der Methodologie ausgesprochene Gleichgültigkeit gegen die Inhalte der Wissenschaften auch eine Gleichgültigkeit gegen ihrea Fortgang gemeint hatte, dafür steht die mittlere Generation von Professoren der Erlanger Schule. Als Beispiel dient uns Jürgen MITTELSTRASS, Ex-Erlanger und Professor in Konstanz, der sich nicht mehr dem Fortschritt der Wissenschaft, sondern dem der Wissenschaftstheorie widmet.
Er hatte gewissermaßen den Fehler der Wissenschaftstheorie entdeckt, aber nicht um ihn zu beseitigen, sondern um ihn auszubeuten! Wer einen wissenschaftlichen Streit, sagen wir über das ökonomische Gesetz vom Marktgleichgewicht, nicht mittels Beiträgen zum Markt beenden will, sondern die Ökonomie, von der er gar nichts zu verstehen braucht, auf die Befolgung ganz außerökonomischer Regeln, die die Wissenschaftstheoretiker erfunden haben, zu ihrem Heil verpflichten will, der muß sich fragen lassen, was ihn zur Aufstellung dieser Regeln, die jedenfalls mit der in Rede stehenden Sache nichts zu tun haben, berechtige. Wer sich einmal aufs Jenseitige eingelassen hat, der muß dann noch einmal eine Meta-Theorie zur Rechtfertigung seiner ersten machen und so fort. Weil MITTELSTRASS die Begründungen in den Wissenschaften nicht interessieren, und er ihnen vielmehr eine Basis verschafft, kann er dann mit konkurrierenden Methodologien der Frankfurter Schule und des Kritischen Rationalismus über die Begründung der Begründungsbasis rechten. Er wirft anderen Methodologen nicht etwa vor, daß sie falsche oder unpassende Regeln für die Wissenschaft aufstellen - die ist ihm völlig gleichgültig -, sondern daß sie in dem Meta-Meta-Karussell im Unterschied zu den Erlangern keine Bremse eingebaut haben.
"Wissenschaftstheoretisch gesehen liegt dieser Auffassung ein deduktives Modell der Begründung zugrunde, das hinsichtlich des Problems der Begründungsbasis zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führt. Diesem Modell entsprechend kann auch die Begründung der Begründungsbasis, wenn diese gefordert werden sollte, nur deduktiv erfolgen, womit ein Begründungsregreß unvermeidlich wäre." II, 57)
Daß das Begründen der Wissenschaft mit Regeln und Vorschriften keinen wissenschaftlichen Grund hat, faßt MITTELSTRASS so auf, daß es wissenschaftlich nie zum Ende bzw. Anfang kommt. Deshalb haben seine Begründungen ihr stärkstes Argument da, wo sich das Begründen aufhört: nämlich in der "vortheoretischen Praxis": Wissenschaftstheorie hätte demnach die "Bemühung" zu sein, das, was sowieso und ohne Argument gilt,
"das vortheoretische Apriori einer lebensweltlichen Unterscheidungs- und Herstellungspraxis im Rahmen einer theoretischen Praxis in begründender Weise wieder zur Geltung zu bringen." (II, 83)
Kann man das Gebot, Wissenschaft müsse affirmativ zu den gewohnheitsmäßigen Grundsätzen sein, statt diese zu analysieren, deutlicher aussprechen?
Mit der Konzentration auf die Wissenschaftstheorie selbst verliert freilich das Gebote-Machen seinen Ernst ebenso, wie der Schein der Nützlichkeit dieses Treibens für den Fortgang der Wissenschaft und der Aufklärungsgestus der Erlanger Philosophen sich verliert. Wissenschaftstheorie entpuppt sich als Deutung der Wissenschaft, die diese in ihrem Gang gar nicht weiter behelligen will, wenn sie sich an das Selbstverständnis der Wissenschaftler, nicht an ihr Tun richtet.
III. Lebensphilosophie: Antiintellektueller Vulgärmaterialismus
Die Deutung der Wissenschaft ist von vorneherein ein Fehler, weil diese nicht deutungsbedürftig ist. Da die Wissenschaft wirkliche Dinge erklärt, fällt ihr Verständnis mit der Kenntnisnahme und Prüfung ihrer Resultate zusammen. Wer sich aber eine Meinung zur Wissenschaft meint zulegen zu müssen, will eben eine schlechte Meinung von ihr pflegen. Daß es darum und nur darum in der Wissenschaftstheorie "immer schon" ging, hat die Erlanger Schule in Gestalt ihres jüngsten Professors Oswald SCHWEMMER gemerkt. Er hat aber auch gemerkt, daß man diese Aussage heute leichter loswird als mit den früheren hochkomplizierten Terminologien. Heute braucht man dazu keine erfundenen Schwächen der Wissenschaft mehr kurieren wollen, noch sich mit dem Problem der Aufstellung begründbarer Wissenschaftsbegründungen herumzuschlagen. Heute muß man dazu einfach aktuell sein wollen, einen Aufsatz so beginnen:
"Der Zweifel an der wissenschaftlichen Vernunft beginnt, eine gesellschaftlich wahrnehmbare Erscheinung zu werden." (III, 52)
und im ersten Absatz gleich der modernen "Ratlosigkeit" (z.B. treuer Bürgerseelen vor der ominösen Kriegsgefahr), der reaktionären Angst vor dem Atom (und nicht seinen Benutzern) sowie vor der Gentechnologie (!) recht geben.
Sodann wird die Wissenschaft interpretiert, indem das eigene vergangene Methodologengeschäft als Beweis der Unmöglichkeit von "Kriterien rationaler Theoriebildung" (siehe bei MITTELSTRASS) vorgeführt, und die wirkliche Wissenschaft dabei als Verwirklichung der konstruktivistischen Prinzipien interpretiert wird. Hier wird ja in ganz eigener Weise vom "Sollen zum Sein" übergegangen! Hatte früher der Konstruktivismus von der Wissenschaft verlangt, sie solle sich seinen Prinzipien unterwerfen, so tut SCHWEMMER jetzt einfach so, als habe sie das getan und deutet sie entsprechend: Jedes Gesetz der Ökonomie verdankt sich nicht so sehr dem Markt als 1. Konstruktionsprinzipien von Theorien, diese 2. wiederum Vernunftsprinzipien und diese schließlich 3. "lebensweltlichen Handlungsorientierungen". Durch diese, seine Rückführung von wissenschaftlichen Aussagen auf angeblich dahinter steckende Prinzipien muß er vermuten,
"daß die Ideen einer wissenschaftlichen Vernunft spezifizierte Ausprägungen allgemeiner Leitideen unseres Lebens und Handelns sind und daß die wissenschaftsdefinierenden Prinzipien daher in Wahrheit vorwissenschaftliche Lebens- und Handlungsprinzipien sind." (III, 66).
Klar, daß SCHWEMMER Wissenschaft und ihre Begründungen jetzt definitiv - und ohne auch nur eine Spur von Kritik geäussert zu haben - bloße, ihres eigenen Ursprungs vergessene Äußerungen der jeweils praktisch geteilten Lebensform sind. Ein "resignativer Relativismus" in Sachen Wissenschaft wird von einem vorgetragen, der sich doch gar nicht um ihren Fortschritt bemüht und unentwegt ihre Bedingtheit unterstrichen hatte:
"Tatsächlich denke ich, daß die triumphalen Begründungen, die mit den Einsichten ihrer Autoren alleine auskommen (was gibts denn da noch zu begründen?) und bis zur Entscheidung über konkrete Vorschläge alles klar machen, die Folge lediglich jener Naivität sind, mit der sich einer auf seinen Standpunkt gestellt hat." (III, 72)
Die konstruktivistische Wissenschaftsverbesserung, die ihr ein praktisches Fundament verschaffen wollte, hat sich also in ihrem Kern auf das vulgärmaterialistische Dogma zusammengezogen, daß das Leben das Denken bestimme - und dahei das Denken sich bloß nicht einbilden solle, es habe etwas - etwa gar gegen den gewohnten Trott - zu vermelden:
"Das Handeln schafft sich seine eigene Vernunft (?), und die planende, begründende oder beurteilende Vernunft, die vor oder über dem Handeln ihre Maßstäbe zu gewinnen meint, ist in Wahrheit das zweitgeborene Kind dieses Handelns, das zwar seine Ansprüche lauter anmeldet, aber weniger wirksam bleibt als die handlungsimmanenten Orientierungen." (III, 80)
Wenn SCHWEMMER hier Sätze niederschreibt, die bei Heidegger und ähnlichen antirationalen Lebensphilosophen gerade so gut stehen könnten, dann will er damit aber nicht ebenso ein Anti-Aufklärer sein. Nur worin Aufklärung 1981 besteht!
In der "Bewußtmachung", daß Wissenschaft nichts ist als ein möglicher Ausdruck von Lebensprinzipien, steckt Freiheit - nicht ehr des Denkens, aber des Wählens!
"Denn durch die Herausarbeitung dieser Prinzipien wird die Selbstverständlichkeit, mit der sie angewendet werden und die sie einer Beurteilung vorenthält, aufgehoben, und es entsteht die ausdrückliche Frage nach ihrer Berechtigung." (III, 84)
Aufklärung, die nicht mehr dem denkenden Subjekt entzogene Autoritäten aufdeckt und iner Beurteilung unterzieht, sondern das Denken selbst als unhinterfragte Autorität angreift, appelliert an ein anderes als das denkende Subjekt! Wer Wissenschaft als auch nur eine mögliche Lebensform entarvt, stellt sie zur Disposition, ohne dem wählenden Subjekt ein Argument anzubieten, ob es sie nun wählen solle oder nicht. Freiheit besteht 1981 philosophisch halt auch schon wieder im grundlosen Wählen = im grundlosen Dafürsein:
"wir fragen, ob und inwieweit diese Prinzipien denn tatsächlich unser Handeln leiten sollen und dieses Handeln das unsere bleiben soll. Diese Frage ist nur noch praktisch zu beantworten: von den Handelnden für ihr Handeln selbst." (III, 85)
Ein grundlos gewähltes, also unbedingt gelebtes Prinzip sitzt eben tausendmal fester als ein eingesehenes Argument. So kann man dann sogar die Wissenschaft nicht als Wissenschaft, sondern als Lebensform unter anderen legitimieren:
"Da sie (die Anerkennung der Vernunft) aber die Prinzipien unserer Vernunft als Leitvorstellungen unseres Handelns versteht und damit als unsere (sonst spricht nichts für sie; kursiv im Original) Handlungsprinzipien entdeckt hat, ist diese Anerkennung als (möglicher) (im Original) Ausdruck der eigenen Lebensform tragfähiger, als es eine bloß gedanklich erreichte Schlußfolgerung sein könnte." (III, 86)
Nachweis der Zitate:
I KAMLAH, Wilhelm / LORENZEN, Paul: Logische Propädeutik
II MITTELSTRASS, Jürgen: Die Möglichkeit von Wissenschaft
III SCHWEMMER, Oswald: Die Vernunft der Wissenschaft, in: Janich, P. (Hrsg.): Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung