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Literaturanzeiger:
SELBSTBESPIEGELUNG EINER KULTURANSTALT
"Stichworte zur
'Geistigen Situation der Zeit'
1. Band: Nation und Republik
2. Band: Politiker und Kultur" edition suhrkamp 1000 Frankfurt 1979 (Herausgegeben von Jürgen Habermas)
Beim tausendsten Band der edition suhrkamp handelt es sich um eine Festschrift, in der linksintellektuelle Theoretiker, Künstler, Theologen, Kunstkritiker und Politiker die Lage unserer geteilten Nation von dem Standpunkt ihres Linksseins einer Würdigung unterziehen. Sie unterscheidet sich somit um einiges von den Feierlichkeiten zu Ehren der Republik, an die man sich gewöhnt hat.
Hier hält nicht der Bundespräsident eine Rede, erklingt nicht ein Stück von Beethoven, und es singen nicht die Wiener Sängerknaben. Hier theoretisiert, textet und betet die Creme der bundesdeutschen Intellektuellen zwar für das Vaterland (was für sie mit der Jubiläumsfeier eines Verlagsprogramms zusammenfällt, welches bekanntlich seinerzeit der Studentenbewegung so manche Anregung vermittelt hat). Zugleich erklären sich die Festschreiber für die "freiheitliche demokratische Ordnung", aber in einer Art und Weise, bei der bloß die Rede davon ist, wie problematisch der Zustand der BRD für die Existenznöte eines Linksintellektuellen wäre.
Die Beiträge zum tausendsten Band der edition suhrkamp kennen nur ein Thema: eine Abteilung unseres Intellektuellenstandes führt, einem Aufschrei gleich, beredt Klage darüber, in welcher Einsamkeit der linke Geist innerhalb des kulturellen Lebens der Nation begriffen sei. Von vorn bis hinten präsentiert sich linker Geist als ein Trauerkloß; und diese Jammerei von Leuten, die damit die fortschrittliche Bundesrepublik zu ihrer Heimat erklären wollen, ist in der Tat dermaßen widerlich, daß der Versuch einer Lektüre des tausendsten Bandes Suhrkamptheorie die Grenze des Zumutbaren weit übersteigt. Selbst dem konservativen Feuilletonisten kommen fast die Tränen, wenn er dem neuesten Schlager der Regenbogenliteratur das "melancholische Schlußwort" des kritischen Theoriegeistes entnimmt. Außer der Thematisierung der eigenen "Resignation" habe dieser nichts Konstruktives mehr zu bieten, wobei man immerhin die "Infragestellung eigener, also linker Positionen" positiv in Rechnung stellen könne. Diese Wertung möchte jedoch übersehen, daß die Klage darüber, wie unglaublich schwierig es geworden sei, als ein Mensch mit einer linken Gesinnung zu dichten, zu theoretisieren und zu kritisieren, lediglich die bodenlose Heuchelei eines Gesindels darstellt, welches sich mit eben dieser Art von "Linkssein" voller Stolz produziert. Nicht daß es ein Moment von Peinlichkeit an sich hätte, wenn sich in dieser Festschrift Linke zu der Position zusammenfinden, nicht die Welt, sondern sie selbst seien das Problem. Erstens geht es sowieso nur um linken Geist, weswegen niemand Anstoß zu nehmen braucht; und zweitens ist der tausendste Band für ein Publikum vorgesehen, dessen Intelligenz so groß ist, daß es den "Stichworten" schon deswegen zur Auflagenstärke verhilft, weil sie die Nummer Eintausend tragen und rosarot gefärbt sind. Statt das Inhaltsverzeichnis zu überfliegen und Dankeschön zu sagen!
Von einer "Infragestellung eigener Positionen", also von einer Art Selbstkritik kann schon gleich nicht die Rede sein, beginnt man mit der Durchsicht der "Arbeiten", die von den altbewährten Suhrkamptheoretikern wie Senghaas, Offe, Wellmer, Narr etc. geschrieben worden sind. Sogleich wird einem der ganz und gar unveränderte und unverfälschte intellektuelle Genuß zuteil, der "je schon" das Kennzeichen der Suhrkamp-Wissenschaft gewesen ist. Um deren Prinzip darzulegen, werden wir den theoretisch "stärksten" Aufsatz des Jubiläums exemplarisch durchgehen und uns anschließend mit einer kurzen Übersicht über das sonst noch Gebotene begnügen - die Gefahr, möglichen Gedankenreichtum zu unterschlagen, besteht beileibe nicht.
Der - von Kennern als extrem "theoriebeladen" geschätzte - Habermasschüler und Politologe Offe hat als seinen Festbeitrag zur "Verteidigung der Republik" einen Aufsatz mit dem Titel "'Unregierbarkeit'. Zur Renaissance konservativer Krisentheorien" verfaßt. Bereits der unverkennbare Ästhetizismus der Überschrift bringt die reine Theorieherrlichkeit, und auch vom Inhalt des Angekündigten her sieht man sich unverzüglich in eine aparte Welt versetzt. Denn mit der Kundgabe dessen, worüber Offe zu verhandeln gedenkt, ist schon klar, daß es hier ebenso wie in allen anderen Bänden der Suhrkamptheorie - nicht um das schlichte Unterfangen geht, die jüngste Literatur konservativer Politologie herzunehmen und deren immergleiche Quintessenz - das Lob der Herrschaft, eingebettet in das Gejammer über die angebliche Ohnmacht und die einschränkende Abhängigkeit der Ordnungsstiftung - zu kritisieren. Wenn ein Suhrkamptheoretiker sich den Gedanken seiner Kollegen zuwendet, so setzt er theoretisch den ungeheuer bedenkenswerten und mit den nötigen Gänsefüßchen versehenen Gegenstand erst in die Welt, dem er sich widmen will:
"Zwischen der neu-konservativen Staats- und Gesellschaftstheorie, in deren Mittelpunkt das Problem der 'Unregierbarkeit' steht, und der sozialistischen Kritik spätkapitalistischer Gesellschaftsformationen zeichnet sich eine Reihe von Strukturähnlichkeiten ab, die naturgemäß auf beiden Seiten nicht gerade hervorgekehrt werden." (294)
Solcherart sind also die Probleme, mit denen sich innerhalb der Welt der edition suhrkamp beschäftigt wird. Ist es schon höchst albern - die Welt, ob nun der Weltmarkt oder die Kindheit, mag Probleme haben noch und noch -, daß die Anstrengung eines Wissenschaftlers sich in dem Urteil befriedigt, daß die Welt eben problematisch ist, statt daß er durch seine Tätigkeit Klarheit stiftet (wozu soll er sonst da sein?), so zeichnen sich die Fragestellungen eines kritischen linken Theoretikers durch eine spezifische Idiotie aus. Wenn Offe über die "Strukturähnlichkeit" zwischen Hennis und der "sozialistischen Kritik spätkapitalistischer Gesellschaftsformationen" - mit letzterer meint er vor allem sich selbst - sprechen möchte, so geht es natürlich nicht - um das Mißverständnis auszuschließen - um seine mögliche Selbsterkenntnis, daß er als linker Politologe dasselbe und womöglich noch denselben Unsinn über den Staat zu vermelden weiß wie sein konservatives Pendant - und über diese Einsicht nun furchtbar resignieren würde. Ganz anders - Offe thematisiert seine voller eitler Koketterie steckende Entdeckung, daß die konservativen Politologen in ihren jüngsten Werken die Thesen der linken Krisentheorie von vor zehn Jahren übernommen hätten und unter dem Stichwort "Unregierbarkeit" diskutieren täten. In den 24 Seiten des Aufsatzes von Offe geht es also buchstäblich um nichts - nicht die Spur einer Befassung mit der Welt oder der Politologie. Stattdessen wird dem Leser das zweifelhafte Vergnügen zuteil, zu verfolgen, wie Offe sich zu seinem Beweisziel hinarbeitet, daß die "Krisentheorie" bei linken Theoretikern trotz allem doch am besten aufgehoben ist. Hiefür hagelt es zunächst einmal Lobeshymnen für die bürgerliche Ideologie ("deutlich gestiegenes Niueau"):
"Der hohe deskriptive Wert der Unregierbarkeitsthese liegt... auf der Hand." (304) "Über weite Strecken liest sich diese Literatur wie eine Serie von Fallstudien zur Bekräftigung der Marxschen (?) These, daß bürgerliche Demokratie und kapitalistische Produktionsweise in einem prekären und immanent unlösbaren Spannungsverhältnis zueinander stehen." (295)
Offes unerschütterliche Überzeugung - denn statt Marx muß man hier ohne Rest Offe einsetzen -, daß der bürgerliche Staat, so wie er leibt und lebt, auf ewig ein problematisches Gebilde bleibt - dies das Lebenselexier eines kritischen Politologen! - bringt ihn dazu, all das, was die konservativen Politologen als die angeblichen "Funktionsprobleme" des Staates belabern, für bare Münze zu nehmen und als die Angelegenheiten zu betrachten, mit denen der Staat sich tatsächlich dauernd herumschlägt. Ein altbekanntes Verfahren des linken bundesdeutschen Theoriegeistes, dessen kultivierter Pflege sich die "edition" von Anbeginn angenommen hat: Argumente der etablierten Wissenschaften werden nicht als Gedanken über die Welt genommen, bei denen nur interessiert, ob sie stimmen oder nicht, sondern als Gebilde, in denen die "reale Bewegung" zu einem "Ausdruck" kommt, auf den hin sie zu "hinterfragen" wären. Nachdem Offe so den politologischen Idealismus der Konservativen zu "vor unseren Augen sich entfaltenden Sanierungsstrategien" eines Staates hochgejubelt hat, der damit das Problem seiner eigenen "Unregierbarkeit" bekämpft, ist dann allerdings der entschlossene Gegenangriff des Suhrkamptheoretikers fällig, mit dem er in dieser selbsterfundenen Welt staatlicher Unregierbarkeitsprobleme sich als allein auf der Höhe des Problems befindlichen Analytiker zur Geltung bringt. Letztlich, sagt Offe, scheitert das "analytische Grundschema" der Rechten, welches sie von mir übernommen haben, weil letztlich der Staat mit dem Problem seiner "Unregierbarkeit" scheitern muß:
"Der entscheidende 'Konstruktionsfehler' der an Symptomen von Unregierbarkeit laborierenden Gesellschaftssysteme" besteht darin, daß "entwickelte kapitalistische Industriegesellschaften über keinen Mechanismus verfügen, kraft dessen sie die Normen und Werte ihrer Mitglieder mit den systematischen Funktionsbedingungen, denen sie unterliegen, in Einklang bringen könnten." (316)
Recht hat er, der Offe: einen solchen Mechanismus besitzt unser Staat tatsächlich nicht! Das Dumme ist bloß, daß der Staat ihn natürlich auch gar nicht benötigt - was hinwiederum einen Offe wenig anficht: Er proklamiert einen "Widerspruch" zwischen "Funktion" und "Norm" als ewiges Gesetz der Menschheitsgeschichte, wobei er die Marxsche Kapitalismuskritik als dessen Unterform und Besonderung unterbringt - es geht ja nichts über Traditionen! Mit dieser Proklamation hat Offe dem Staat bewiesen, daß es ihn eigentlich gar nicht geben kann - Beweis: das Ungenügen konservativer Krisentheorie im Vergleich mit der seinen -, und seinen rechten Zunftgenossen hat er bewiesen, daß ihre Analyse (weil nicht die seine) ungenügend ist - Beweis: der Staat scheitert immerzu noch viel schlimmer, als sie es sich denken. Das ist seine methodisch fortschrittliche Manier, unbekümmert um die Welt wie um ihre rechten Interpretationen und deren Fehler hinzuschreiben, daß die bestehende Ordnung ihm als linkem Theoretiker nicht gefällt - und daß es ihm als linkem Theoretiker sehr gefällt, dies der Konkurrenz, genauer: den von ihm am rechten Rand seiner Disziplin aufgebauten Pappkameraden, als wissenschaftliches Todesurteil ins Stammbuch geschrieben zu haben.
Logisch und folgerichtig deswegen der Übergang dazu, dem Publikum - obwohl ihn das gar nicht danach gefragt hat - über seine Tugend der Bescheidenheit in Kenntnis zu setzen:
"Wenn ich diese Frage abschließend erörtere, so tue ich das nicht, um mich auch nur in Umrissen an ihrer Beantwortung zu versuchen, sondern um anhand einiger Überlegungen zu zeigen, als wie schwierig sich ihre konkrete Beantwortung gerade auch aus der Sicht marxistischer und anderer kritische Gesellschaftstheorie heute darstellt..." (312)
Die Bekundung der Bescheidenheit, der Gestus der prinzipiellen Vorläufigkeit seines theoretischen Tuns, diese absolute Mickerhaltung des bundesdeutschen Theoriegeistes, gehört zum unverzichtbaren Bestandteil aller Suhrkamptheoriekultur. Freilich geht sie weil eben der Gestus des sich selbst für das Allerwichtigste nehmenden, über allem stehenden Theoretikers! - nahtlos zusammen mit einer anschließend fünf Seiten lang recht unbescheiden sich ausbreitenden Darstellung des Fortschritts, den die Soziologie seit Habermas gemacht haben soll; und die mündet zuguterletzt, wie sollte es anders sein, in den ziemlich offensiv gemeinten Beweis, daß die "neokonservative Krisenliteratur", so eine Gemeinheit!,
"die Diskussion über Lösungen der Regierbarkeitskrise, die sie zu initiieren vorgibt tatsächlich blockiert." (316)
Wenn das kein Ergenis einer Theorie ist! Das lehrreiche Fazit des Aufsatzes besteht darin, daß Offe sein selbst erfundenes Dilemma vom Anfang - ausgerechnet die Konservativen seien heute
von der "Gewißheit... inspiriert", "daß es 'so nicht mehr weitergehen' könne", "während die Krisentheorien, die der Kritik der politischen Ökonomie entstammen, entweder selbst fragwürdig geworden sind oder zumindest die zuversichtlichen politischen Schlußfolgerungen nicht mehr (?!) hergeben, in denen ja ihre Pointe bestand." (295) -
trotz aller anfänglich scheinenden Aussichtslosigkeit bravourös bewältigt hat. Er ist noch einen schrecklichen Vorwurf an die konservativen Politologen losgeworden - keine konstruktive Nützlichkeit, dem Fortschritt unserer Nation im Wege! - und schließt mit einer Gramsci-Sentenz über "the ofd is dying and the new cannot be born". Die gefällt ihm deshalb so gut, weil er nun sein Werk - erschöpft und glücklich zugleich, daß sich die linke Theorieperspektive wieder als siegreich und gerecht erwiesen hat - mit gutem Gewissen zu Ende bringen kann: Der Spruch von Gramsci
"weist... nebenbei (!) auch einem guten Teil der deutschen Urregierbarkeitsliteratur seinen historischen Platz an." (316)
Man betrachte nun noch einmal den Titel des Aufsatzes, damit die gewaltige Leistung dieses Denkers in ihrem vollständigen Umfang deutlich wird. Wollte Offe nicht schon mit dem Untertitel: "Zur Renaissance konservativer Krisentheorien" kundtun, daß ihm die konservative Politologie bloß als ein historisches Phänomen vorkommt? Also bloß ein Phänomen, daß ihm als linken Theoriegeist nichts anhaben kann, unabhängig davon, welchen Konjunkturen der Konservativismus auch immer ausgesetzt sein mag? Richtig, nur um diese Mitteilung ging es. Aber wer hätte es gewußt, wenn nicht Offe einen Aufsatz über sie verfertigt hätte?
Was einem bei der Lektüre von Offes Aufsatz an Höhen und Tiefen im Sich Vorführen eines kritischen Theoretikers begegnet, sind die Bestimmungsstücke einer wissenschaftlichen Manier, durch die sich die edition suhrkamp ihr Ansehen unter nicht wenigen Intellektuellen verschafft hat. Die Verfummelung jeglichen Stücks Objektivität zu einer problematischen Welt, deren Fragestellungen man aufwirft, ist der Grundsatz dieser Manier. In seiner Anwending wird unter dem Schein von Kritik die kritiklose Beschäftigung mit der etablierten bürgerlichen Ideologie, sei es nun die Philosophie, Soziologie, Psychologie usw. zu einem interessanten Geschäft mit dem einzigen praktischen Resultat, daß an den Hochschulen Exemplare von Studenten herumlaufen, die sich als große Theoriegeister vorkommen, aber nicht einen Satz bürgerlicher Theorie studiert haben oder überhaupt kennen, weil ihre geistige Nahrung aus der edition suhrkamp besteht. Nur mit einer Sentenz geht ein solcher Blödmann hausieren: Wissenschaft sei interessant, ein ebenso dummes Urteil wie das komplementäre, Wissenschaft sei langweilig. Der mit der Prätention der überlegenen intellektuellen Weltanschauung vorgetragene Stolz der Suhrkampliteratur verlangt einerseits das Ausgraben verstaubter und exotischer bürgerlicher Nebengeister (das jeweils Interessanteste!), andererseits scheut man sich nicht, ausgerechnet die Suhrkampbibliothek als das einzige noch verbliebene "Bollwerk" gegen die Gefahren einer Rechtsentwicklung der Republik auszurufen, wie Habermas es in seiner Einleitung zu den "Stichworten" nicht urterlassen hat. Was unter dem Strich herauskommt, ist die Erhebung der theoretischen Selbstbefriedigung des sich unzufrieden gebenden InLellektuellen zum Programm. Die gewonnene Einstellung zur Welt gehört gepflegt, und so erhält man schließlich das schlichte Markenzeichen der Suhrkampwissenschaft, um deretwillen man sich ein rotes, grünes oder blaues Pappbändchen greift und welches nun als tausendfache Selbstfeier existiert: Theorie ist hier Kultur, geht auf im und erklärt sich als Genuß, den ein Theoretiker so an sich selbst findet. Gedanken präsentieren sich als eintöniger Kult des Subjektiven, weswegen die Suhrkamptheorie sehr darauf erpicht ist, den Gestus der Differenz zum bürgerlichen Wissenschaftsbetrieb zu pflegen. Innerhalb der Welt der Suhrkampwissenschaft betreibt man "Theorie" in bewußter kritischer Distanz zum Namen Wissenschaft, und deswegen heißen die inzwischen auf den Markt gebrachten Ergänzungsreihen zur edition konsequenterweise auch "suhrkamp taschenbücher wissenschaft".
"Theorie" in diesem besten, kulitivierten Sinne tragen auch alle anderen gelehrten Autoren des Doppelbandes bei - allesamt keine Analyse, dafür um so entschlossener Symptome der "geistigen Situation der Zeit" : Ein jeder gefällt sich in "Problemen", deren Qualitätsmerkmal es ist - und darauf weisen die Titel immer schon hin -, daß sie jeder haben, aber außer dem Autor noch keine Sau entdeckt haben soll.
Da schreibt der Berliner Soziologe Jaeggi über "Drinnen und Draußen", und genau davon handelt sein Aufsatz auch; der Wissenschaftstheoretiker Wellmer dagegen handelt das "und" in seinem Thema ab: "Terrorismus und Gesellschaftskritik". Sein Problem besteht darin, für die "These" zu fechten, daß beides eigentlich nichts miteinander zu tun hat. Als ob ihn irgendjemand genau dazu aufgefordert hätte, drängt es ihn, der Welt mitzuteilen, daß er, Wellmer, genau dieser Meinung ist. Des Rätsels Lösung nach einigen Seiten angestrengter Lektüre: In seinem Aufsatz - und das ist sein einziger Inhalt - möchte er darauf hingewiesen haben, wie notwendig es seiner Auffassung nach für die "demokratische Linke" sei,
"nicht nur taktisch zur Verteidigung von Grundrechten und demokratischen Freiheiten innerhalb unserer Gesellschaft zu stehen." (293)
Politologe Seifert macht die Alternative auf: "Haus oder Forum", ringt sich im zweiten Teil seines Titels zu einer verdeutlichung durch: "Wertesystem oder offene Verfassungsordnung". Der Aufsatz bestätigt: der Autor hätte lieber eine Verfassung wie ein "Forum" als wie ein "Haus". Der Politologe Narr beschriftet seine Schrift mit dem Titel: "Hin zu einer Gesellschaft bedingter reflexe", also zur Abwechslung mit einer Feststellung - wo ist das Problem? Der erste erfrischend kurze Satz der Vorrede, die der Narr seinen Ausführungen vorangestellt hat, klärt auf: "Nein, Pawlow siegt nicht!". Der geneigte Leser weiß schon, wie's gemeint ist und was ihn im folgenden erwartet: Es könnte ja sein, ja es spricht einiges dafür, daß die Bundesrepublik zu einer "Rattengesellschaft" wird,
"die massenhaft auf das Glockenzeichen wartete, um jeweils zum Futtertrog oder zu anderen gesellschaftlichen Leistungen (!!) zu stürzen." (489)
Soweit darf es nicht kommen! Und darum geht es nun fast vierzig Seiten lang so zu wie beim Suppenkaspar: Nein, ich esse meine Suppe nicht, nein, meine Suppe eß ich nicht... Auf Seite 527 kommt der Narr schließlich zu seiner Hauptsache: So, wie man es die Seiten vorher von ihm hat erfahren dürfen, geht heute verantwortungsbewußte und redliche wissenschaftliche Kritik und anders nicht.
"Jedenfalls gibt es - Mode hin, Mode her - keine Entschuldigung für Intellektuelle, die im Zündelspiel am Heuhaufen des 19. Jahrhunderts ihre späte Bescheidung finden. Da ist es schon besser, das erste oder zweite Landhaus einzuweihen."
Hat dieser Narr einen Mut!
Eine Ausnahme von der Regel bieten die Titel von Senghaas und Vogt. Senghaas schreibt schlicht über: "China". Solch ein großes Land und keine Probleme? Natürlich nicht, der Bundesrepublik größter "Entwicklungstheoretiker" verbirgt selbstredend nicht die Schlichtheit seines Problems:
"Sind die vier Modernisierungen (...) möglicherweise Ausdruck eines Neuen Großen Sprungs nach vorn oder eines Neuen langen Marsches - also eine konnsequente Fortsetzung des seit 1949 verfolgten Entwicklungsweges?"
Für der Entwicklungstheorie nicht sogleich Mächtige heißt das Problem also: Herrscht nun in China Kontinuität oder Diskontinuität oder was? Die theoretische Quintessenz des Aufsatzes (46 Fußnoten!) lautet befriedigenderweise:
"Ohne Zweifel, Chinas Entwicklung schreitet voran..." (429)
Das "ohne Zweifel" darf der Leser nicht unterschlagen: es stellt nämlich den theoretischen Teil der Antwort von Senghaas dar: die Demonstration dessen, daß einen Suhrkamptheoretiker trotz aller Koketterie mit den widrigen Zeitumständen so leicht nichts erschüttern kann, auch und gerade wenn es hier bloß um die Selbstbestätigung der "Entwicklungstheorie" geht. - Der gar lustige linksliberale Ökonom Vogt wiederum leitet sein Problem, das sich hinter dem ergreifend nüchternen Titel "Politische Ökonomie" verbirgt, mit einer Tatsachenbehauptung ein:
"Die Abschaffung der Herrschaft des Menschen über den Menschen ist keinen Schritt weitergekommen" (381),
meint er. Basta! Wie läßt sich aus diesem blöden Spruch eines Linksintellektuellen - Marx jedenfalls, auf den das angeblich zurückgehen soll, hat über Herrschaftsverhältnisse und deren Erklärung anderes verlauten lassen - ein Problem drechseln? Sehr einfach! Vogt konstatiert ein Scheitern der "linken Strategie", um sich zu fragen, ob es nicht doch eine Hoffnung auf die Realisierbarkeit des linken Ideals gibt, auf Sozialismus, Solidarität und so? Sein "Ja" macht Vogt sich nicht einfach -
"Dieser Aufsatz basiert auf einer Reihe schwieriger und umstrittener Thesen. Ich hätte vielleicht nicht wagen können ihn zu publizieren, wenn ich nicht in der konstruktiven Kritik zahlreicher Freunde und Kollegen wichtige Unterstützung gefunden hätte." (381)
Es geht über nicht weniger als vier Argumentationsschritte.
1. Wissenschaftliche Widerlegung der linken Revolutionshoffnungen mittels der "Spieltheorie" (!!). Daß es nicht gutgehen konnte, auf "Akkumulation, Krise, Solidaritätsbewußtsein der Arbeiterklasse" zu setzen, ist gar kein Wunder, denn
"das Individuum scheut das Risiko solidarischer Lösungen." (387)
2. Konstruktiv vorwärts: notwendig sei die "Rückbesinnung auf eine liberale Utopie." Begründung: Smith und Marx hätten letztlich dieselben Zielvorstellungen, nämlich die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu beseitigen:
"Der Mensch der liberalen Utopie ist die entwickelte Individualität." (398)
3. Die liberale Utopie, meint nun Vogt und läuft in die Zielgerade ein, scheitere ständig an der kapitalistischen Realität, weil die Grundbedingung des Liberalismus laut Vogt, gleiche Tauschbedingungen für alle Individuen, im Kapitalismus nicht gegeben sei. Zum tausendsten Mal also: Kapital = ungerechter Tausch!
4. Alles klar für die abschließende Deduktion: Vom Standpunkt der liberalen Utopie ist die linke Utopie gerettet; denn der Liberalismus müßte, um sich treu zu bleiben, einen Kampf gegen "den Mißbrauch im gesellschaftlichen Austausch" führen:
"Da die kapitalistische Unternehmung auf einer Monopolstellung beruht, hat sie in der Welt der liberalen Utopie keinen Platz!" "Die mit einer wirklich (!) liberalen Verfassung vereinbare Form der Unternehmung (!) kann nur die Arbeiter-Unternehmung sein." (400)
Ohne Zweifel: Die Phantasie dieses Theoretikers nötigt dem Leser Respekt ab: Fast noch mehr aber der Umstand, daß der Autor an keiner Stelle seiner Ausführungen auch nur die Spur des Zweifels an dem, was er so vor sich hindenkt, erkennen läßt.
Das bei Vogt zu bemerkende Phänomen eines mit linken Idealen ausgestatteten Ökonomen, der entschlossen den Übergang in die Innerlichkeit des philosophisch werdenden Ökonomen macht, tritt hei Autoren wie Jaeggi und Narr als Übergang zur Dichtung auf. Das ist nicht überflüssig zu erwähnen; denn immerhin handelt es sich bei diesen beiden Denkern um besoldete Hochschullehrer in Berlin. Pflicht und Neigung reichen sich da ganz offenkundig die Hände. Textprobe Jaeggi (der ja schon bekanntlich Dichter war, bevor er früher als Dichter hervorgetreten ist -- nicht zuletzt als Dichter seines eigenen Soziologieprofessorenschicksals -);
"Ab und zu, beim Blättern in weggelegten Büchern, beim Betrachten eines alten Films oder in einer Gemäldegalerie, kann es uns überfallen (!): wir erkennen, wie sehr wir Zeitgenossen sind, wie rasch wir etwas aufgreifen und wieder weglegen. Mitmachen. Erklären. Mitvergessen und Mitverdrängen. So war es damals; damals hat man dies und jenes so gedacht und so gesehen. Was eigentlich geschieht? Spielt sich das Immergleiche ab? Was ändert sich? Was hat sich verändert?" (443)
Ein klarer Fall für die Klapsmühle? Oder ein entschlossenes Zurück zur Pubertät?
Über die neuesten Geistesblitze der als links im engeren Sinn bekannten Theoretiker hinaus bietet der tausendste Band noch weitere Erbaulichkeiten. So gibt es Aufsätze, denen man noch auf irgendeine Weise die Qualität "theoretisch" beimessen könnte, verfaßt durch einige im linksliberalen Pluralismus der Suhrkamp-Kultur vertretene Autoren wie Dahrendorf, von Beyme, Bürger, Wehler u.a. Und sie tun ihr Bestes, um die Ergießungen ihrer linken Suhrkampbrüder kongenial zu komplettieren.
Dahrendorf bietet eine Antwort auf die ihm vom Herausgeber Habermas mit auf den Weg gegebene Anregung, sich an Jaspers Werk "Die geistige Situation der Zeit" von 1934 zu versuchen. Seine Überschrift "Kulturpessimismus vs. Fortschrittshoffnung - Eine notwendige Abgrenzung" ist auch hier schon alles, was er mitteilen will: er möchte sich von der Einstellung des Philosophen zur Moderne abgrenzen. So streicht er heraus, daß Jaspers seinerseits doch ein arger Pessimist gewesen sei, weiß sich am Ende jedoch mit dessen Idealen einig:
"Einheit des Ganzen bleibt faßlich als die geschichtliche dieses Staates, der Geist als ein an seinen Ursprung gebundenes Leben..." (Jaspers) -
für den, der es noch nicht weiß, der Beweis dafür, wie sehr sich ein konservativer von einem liberlalen Ideologen unterscheidet. Kunsthistoriker Warnke verbreitet sich über Tradition, Moderne und Zukunftsaussichten unter dem Gesichtspunkt der "Situation der Couchecke" und gelangt auch so an jenen problematischen Scheideweg, an dem Suhrkamptheoretiker sich so offenkundig wohl fühlen:
"Die Couchecke, die sich (?) in diesem Jahrhundert als Symbol einer abgeschirmten, intimisierten Privatexistenz ausgebildet und durchgesetzt (welch passendes Bild!) hat, ist im Begriff, sich (!) in der Außenwelt aufzulösen (Sperrmüll). Es ist den Dingen (!) nicht mehr abzulesen, ob dadurch die Welt (?) wohnlich werden kann oder eine der letzten Gegenwelten aufgezehrt wird." (687)
Wenn der Mann sich nicht mit dem Narr gut versteht!
Aus des Politologen v. Beyme langatmigen Ausführungen über den "begrenzten Pluralismus in der Bundesrepublik" geht als Resultat hervor, daß der deutsche Staat zum Perfektionismus neige (261/262). Mist, das hätte man sich gleich denken können, daß einem Professor für Politologie auch nichts anderes einfallen würde, als was bisweilen in der Zeitung steht, wenn es um Sachen wie die Abwägung von Vorteilen und Nachteilen der "Berufsverbote" geht. Der Historiker Wehler ("Geschichtswissenschaft heute") hat in seinem Beitrag unglaublich viel Material aufgearbeitet, die Lektüre seiner Verarbeitung ist allerdings nur ein Frust. Es dauert und dauert, bis er endlich, nämlich ganz zum Schluß, die Mitteilung macht, mit der er sich von vornherein hätte begnügen können: Seine geschichtswissenschaftliche Position, die Historie müsse unter dem Aspekt der "modernen Sozialgeschichte und Wirtschaftsgeschichte" betrieben werden, sei "ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil der westdentschen Geschichtswissenschaft" geworden. Beweis:
"Zum erstenmal besitzen Vertreter der liberal-sozialdemokratischen Strömung an ca. 25 von rund 60 westdeutschen Hochschulen eine sichere Stellung." (752)
Na bitte! Die Fortschritte der Menschheit sind unverkennbar! Bei P. Bürger wiederum liegt der Fall vom ersten Satz an klar: Er demonstriert, daß ein Literaturwissenschaftler heute, der über das Thema "Literaturwissenschaft heute" spricht, über jeden Dreck labert außer über sein Thema. Kostprobe:
"Die Frage lautet: wie reagiert man auf den Entzug von Hoffnung? Die Antworten meinen wir zu kennen. Was not tut, ist Nüchternheit, Bestimmung unserer Funktion in dieser Gesellschaft." (996)
Leider bleibt er die Antwort schuldig, womit er andererseits nur zu sehr verdeutlicht, worin die "Literaturwissenschaft heute " besteht.
Man sieht schon: Wer immer in seiner Eigenschaft als - linker und linksliberaler - Wissenschaftler gewürdigt worden ist, zu einem Beitrag zur "Geistigen Situation der Zeit" a la Suhrkamp gebeten worden zu sein, tut sein Bestes, um überhaupt keine Differenz zwischen sich als Denker und den eigentlichen Helden des Habermas'schen Doppelbandes auftreten zu lassen: dem darin versammelten Volk von Theologen, Dichtern, Kunstkritikern und Politikern, Drei Theologen dürfen zum Thema "Hoffnung" ihre Predigten halten: Moltmann, Metz und Sölle. Ihr Job ist es, eben in allen Lebenslagen für Religion Propaganda zu machen. Zu gönnen ist es ihnen, daß sie innerhalb der Suhrkamp-Kultur im trüben fischen und das angeknackste Suhrkampvölkchen mit Opium versorgen dürfen (Beispiel Sölle: "Du sollst keine anderen Jeans haben neben mir": hier wird ungeheuer gegeben: "Gnade ist ein Konzept, das die Tiefe unseres möglichen Glücks beschreibt." Die Suhrkampliteratur ist eben Aufklärung heute! Wo linke Denker ihre kritischen Analysen dichten, da analysieren selbstverständlich die Dichter kritisch und gedankenschwer - auf daß Theorie und Kultur wirklich in jeder Hinsicht wechselseitig zueinander, also in Suhrkamps gehobenen Blösinn einer albernen-gespreizten Selbstproblematisierung sich über alles interessant findender Subjekte ihre Erfüllung finden. Seht nur, wie scharfsichtig und mitleidlos die neue deutsche Dichtkunst im Poeten Walser sich selbst durchschaut:
"...die Gefahr, die dem notwendigen Realismus davon droht, daß jeder von uns durch einen Spezialvorbehalt sein Eigentliches oder ein Eigentliches immer verschweigt. Es gehört nie hierher. Meine Entwicklung zum Borniertsein, zum Beispiel. Wobei ich diese Entwicklung bisher verschwieg, weil sie, wie ich fürchten muß, Borniertheit genannt werden kann." (42)
Keine Sorge, Martin! Du weißt doch selbst: nach dem Bekenntnis darfst Du jeden Stuß hinschreiben - keiner wird es noch wagen, Dich borniert zu nennen.
Die Jubelfeier der Suhrkampkultur wäre dennoch unvollständig ohne die geistesverwandten Repräsentanten der in sämlichen kritischen Beiträgen immerzu heimlich bewunderten und offen beneideten anderen Seite: der bejammerten politischen Praxis. So darf Ehmke ("Was ist des Deutschen Vaterland?") die Ziele der SPD darlegen, der politischen Partei, für die das Herz unserer Linksintellektuellen schlägt. Auch das ist Suhrkampf-Theorie:
"Wir müssen die äußeren und die inneren Bedingungen der Entwicklung der deutschen Frage so zu beeinflussen suchen, daß sich in der DDR und in den osteuropäischen Staaten in deren eigenem Interesse (!!) Reformen durchsetzen können." (76)
Der Berliner Wissenschaftssenator Glotz, der aus seinem Job in Berlin bekanntlich eine Philosophie, nämlich die des demokratischen Dialogs, auch schon etliche Bücher gemacht und es so geschafft hat, beim linksliberalen Geist einzusteigen und dort hoffähig zu werden; ein Politker, der auf Geist, sprich Subjektivität macht, der ist "in" beim Intellektuellenvolk hierzulande! -, der darf schließlich in seinem Beitrag: "Staat und alternative Bewegungen" ganz offen die Gewaltfrage stellen und ebenso offen mit einem Bekenntnis zur Gewalt beantwarten: "Ich bin kein Pazifist" (488), lautet das Fazit seiner Darlegungen. Immerhin: Dieser Satz ist wohl der einzige im ganzen Band Tausend, dessen "Ich" nicht als Ausdruck von wissenschaftlichem Subjektivismus verstanden werden möchte!
Eine gerechte Rezension des Jubiläums kommt nicht umhin, dem Herausgeber Habermas und seiner Einleitung einige Bemerkungen zu widmen. Als der Philosoph, der er ist, verhält er sich noch einmal theoretisch zum Inhalt der rosaroten Pappdeckel und findet in ihm reichlich Material für seine Erörterungen über Bedingungen, Grenzen und Möglichkeiten einer Theorie, die sich Diagnose der Zeit unter den heutigen Umständen zum Zwecke setzen möchte. Seine Einleitung läßt sich vielleicht dahingehend zusammenfassen, daß zum Zwecke einer solchen für den Zeitgeist so dringlichen Erörterung seiner selbst, d.h. seiner Grenzen, Bedingungen und letztlich doch hoffnungsvoller Möglichkeiten, in dem von ihm vorgestellten Werk, einer Sammlung von Stichworten voller subtiler Interpretationen möglicher Zeittendenzen durch die jenseits von "Militanz" und "Wehleidigkeit" in Aktion tretenden Wahrnehmungsorgane linker Zeitgeister, insgesamt doch vielversprechendes Material vorliege. Der Einschätzung von Habermas über die eminente Wichtigkeit des Band Tausend kann man daher kaum widersprechen. Ohne Zweifel läßt sich das in ihm Gebotene unter
"die Würde der Moderne, das heißt: die Dimension einer unverkürzten Rationalität" (22)
einreihen, welche gar noch um
"den dexidierten Anschluß an Aufklärung, Humanismus, bürgerlich radikales Denken" (18)
bemüht sein soll. Ohne Zweifel findet im Jubiläumsband der edition ein furchtbarer Kulturkampf statt zwischen den bösen Rechten, welche - o Gott! - "den Traditionsstand einfrieren" (22) wollen, auf der einen und dem linken Geist, der nicht länger "in den Bereichen der kulturellen Reproduktion" "totgeschwiegen" werden dürfte, auf der alternativen Seite. Und endlich ist ohne Zweifel die Auffassung von Habermas gerechtfertigt, daß ein Ideologe wie Jaspers 1934
"noch unbeirrt von Fallen, welche die Sozialwissenschaften stellen könnten, den direkten Zugriff aufs Ganze" "wagen" konnte. (9)
Seitdem es nämlich die Suhrkampliteratur gibt, ist
"das alles obsolet geworden." "Denn wer wollte noch in der Schlüsselattitüde des großen Philosophen auftreten?" (7)
Das ist eben das Elend der Bundesrepublik Deutschland: Sie verfügt nur über einen selbsternannten Oberphilosophen des Zeitgeistes, der ihn wie ein Clown vorführt. Und, Republik hin, Republik her, die Schlüsselattitüde von Habermas
"Es ist das Geschäft von Intellektuellen, die dumpfe Aktualität bewußt zu machen." (9)
beweist: So bescheiden, so selbstkritisch, so tiefgründig, so verantwortungsbewußt, so ehrfürchtig - kurzum so dumm geht Weltgeist heute.