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Dieser Artikel ist in der MSZ 3-1980 erschienen.
Studenten 1980
DEUTSCHLANDS AKADEMISCHER NACHWUCHS - TROSTLOS
"Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann", sagt der Volksmund und bringt damit zum Ausdeuck, daß das Über-die-Stränge-Schlagen über die normalen Formen der Reproduktion als Ausnahme einer Freizeitgestaltung, die funktional gemacht ist für die Pflichten des Alltags, eine durchaus akzeptable Sache ist. Im Gegensatz dazu ist die bürgerliche Journaille in der gerade laufenden, besorgten Debatte um die Qualitäten der künftigen Elite der Nation nicht müde geworden, darauf hinzuweisen, daß es für den Nachwuchs der Intelligenz geradezu eine regelmäßige Pflichtübung sein sollte, "ein bißchen bürgerliche Unordnung" zu praktizieren und mehr "Abenteuerlust" an den Tag zu legen. Und wenn sogar als Mangel aufgeschrieben wird, daß das derzeitige akademische Jungvolk "an Demonstrationen höchstens mal als Zuschauer teilgenommen" hat, so bringt dieses Lamento etwas ganz anderes über den Zustand der schwankenden Zwischenschicht zum Ausdruck:
1. Diese Luxusgeschöpfe funktionieren offenbar so gut für ihre Auftraggeber bei Staat und Kapital, daß ganz kokett und in aller Öffentlichkeit
"über den Unterschied zwischen den revolutionären Studenten von damals und den braven Studenten von heute"
gejammert werden kann.
2. Bei den in dieser Diskussion angemeldeten Zweifeln über die Tauglichkeit der studierenden Jugend für ihre späteren Tätigkeiten handelt es sich um reichlich plump in die Welt gesetzte Gerüchte, mit deren bedrohlicher Ausmalung ihre intellektuellen Urheber wieder einmal die besondere Wichtigkeit ihres Berufes für die Gesellschaft betont wissen wollen und damit sich als Individuen von besonderer Güte.
Gerücht Nr. 1
lautet, Deutschlands "neue Elite" sei "dümmer als früher", "fleißig - aber dumm" u.ä. Die Presse beklagt sich also nicht etwa über das Bildungswesen, das schließlich an dem Geisteszustand seiner Absolventen nicht ganz unbeteiligt ist, sondern über die angeblich mangelnden geistigen Fähigkeiten der Akademikerjugend, die diesem Stand nicht angemessen ist. Ausgerechnet bei Leuten mit Abitur entdeckt sie den größten Analphabetismus, als sei das ein schlagender Beweis für die Unfähigkeit, einen Gedanken zu fassen. Es geht also um anderes, als eine Bestandsaufnahme über den Geisteszustand der Studenten, die ohne ein paar Gedanken über das, was an der Uni so gedacht wird, also auch über den Geisteszustand der Professoren, nicht zu bewerkstelligen ist.
"Bild am Sonntag" läßt stattdessen einen Hamburger Professor klagen:
"Auch Rechtschreibkenntnisse, die bei jedom Lehrling selbstvorstandlich sind, lassen oft zu wünschtn übrig",
womit nicht nur klargestellt ist, daß es bei jungen Proleten ganz normal ist, wenn sie ihre Muttersprache nicht beherrschen; wofür auch - sie sollen ja auch nicht schriftstellern, sondem arbeiten. An der Tatsache, daß derlei Unkenntnisse allerdings als eher nebensächlich gehandelt werden, wird erkenntlich, daß es hier nicht um eine Bestandsaufnahme geht, ob die Studenten über ausreichend wirkliches Wissen verfügen - wenn auch des öfteren zum Zwecke der Herausstreichung des eigenen Anliegens dieser Gestus eingenommen wird -, die eigentliche Bildungskatastrophe der 80er Jahre bei den zukünftigen Führungskräften ist natürlich viel komplizierter. Diesem Thema widmet der "STERN" eine eigene Serie, in der die Beteiligten selbst zu Wort kommm und ganz schön schlaue Sprüche - über ihre angebliche Dummheit rauslassen:
- Gerd Minz, Medizinstudent:
"'Ich lerne mein Handwerk nicht.... Ich zittere vor dom Tag, an dem der erste Patient in meine ungeübte Hand fällt.' Weniger auffällig, aber schlimmer noch für mein Selbstgefühl ist dies: 'Ich habe meine geistige Selbständigkeit verloren. Ich verlerne beim Medizinstudium das Denken'!"
Gerd, du wirst mal ein ganz guter Onkel Doktor werden, wie schlecht auch immer die medizinische Ausbildung sein mag. So gekonnt, wie du den Übergang von deinem Nicht-Wissen als Mediziner zu deinem saublöden Problem machst, du könntest dadurch deinen Verstand nicht mehr gebrauchen, das ist schon eine reife Verstandesleistung. Nur weiter so, du schaffst es schon. Immer schön heraushängen lassen, daß man vor lauter Verantwortungsbewußtsein kurz vor dem Verzweifeln steht, Hauptsache der Patient merkt nicht, wie du zitterst, und das Spritzen lernst du schon noch. Bleib vor allem dabei, immerzu dein "Selbstgefühl" zu beschwätzen und laß dich dabei nicht etwa zu der Frage verführen, was es mit halbgebildeten Medizinmännern wie dir auf sich hat, die zwar keinen Menschen heilen, ihn aber - solange es geht - so zusammenpfuschen können, daß er wieder seinen alltäglichen Arbeitspflichten nachgehen kann.
- Rudolf Mößbauer, Professor und Nobelpreisträger, der es wegen seines öffentlichen Ansehens ja wissen muß, macht sich auch Sorgen:
"Ein schlecht ausgebildeter oder unqualifizierter Lehrer kann einrn fürchterlichen Schaden anrichten, weil der eine ganze Generation von Kindern auf dem Gewissen hat!"
Da hat der gute Rudi vor lauter Kampf um die "Freiheit der Forschung" doch glatt seine eigene Schulzeit vergessen. Was soll denn das sein, ein "schlecht ausgebildeter" Lehrer? Seit wann kommt es denn bei dem, was Lehrer ihren Schülern zu erzählen haben, auf Wissen an? Für die Vermittlung der paar Ideologien über Staat und Gesellschaft, die schon jeder 13-jährige in Rohfassung auch ohne Unterricht beherrscht, braucht ein Lehrer doch keine großartige Ausbildung, sondern in der Hauptsache die schöne Einbildung, er sei im Besitz aller wissenswerten Weisheiten und damit wegen seiner Bildung für die Welt von ziemlicher Wichtigkeit. Der "fürchterliche Schaden", den Lehrer an ihren Schülern anrichten, die sie mit Dummheiten traktieren, hat sie doch noch nie gekümmert. Eher schon die Frage, wie man mithilfe von Noten und Verweisen diejenigen herauskristallisiert, die einfach "zu schwach" sind, um die Mittlere/Höhere Reife zu schaffen - denn Nobelmensch kann man ja schließlich nicht jeden werden lassen als Lehrer.
- Sabine Klein-Schonnefeld vom "Evaluations-Zentrum" (?) der Bremer Uni macht sich zum Sprecher für
Gerücht Nr. 2,
wenn sie die Hände über dem Kopf zusammenschlägt vor den hier ausgebildeten Juristen:
"Die wissen immer, wo man was nachschlägt, und nehmen die Akten sogar mit nach Hause. ... Hemd und Krawatte sind immer tadellos.' ... da schlecken sich die Arbeitgeber nur so die Finger nach ihnen. Sie sind begeistert."
Jetzt ist den Bremern endlich öffentlich bescheinigt, daß sie keine rote Kaderschmiede sind, und doch ist Sabine (typisch reformerisch) immer noch nicht zufrieden. Intellektuellen, die einfach "überkorrekt und leistungssüchtig" 150%ig ihre Dienste für die Gesellschaft verrichten, fehlt etwas, damit sie auch wirklich als solche gelten können. Es gehört das zur Schau getragene Selbstbewußtsein davon dazu, nicht einfach ein ordinärer Pflichterfüller zu sein, sondern dabei ein ganz besonders kritischer, eigen verantwortlicher Menschenschlag. Die besonderen Privilegien, die die geistig Schaffenden der Republik genießen, gilt es so herauszustellen, daß man sich als ein Individuum präsentiert, dem es seines Charakters wegen zusteht, solche Positionen bei Staat und Wirtschaft zu bekleiden. Denn
"ein Jurist (und alle anderen selbstverständlich auch) soll ein Manm sein mit Lobensart und Bildung."
Und da - meinen Sabine und die anderen Heuchler - stehe es ganz schlecht um den akademischen Nachwuchs in der BRD.
Gerücht Nr. 2 lautet in seiner allgemeinen Fassung, Deutschlands "neue Elite" sei "zu angepaßt", "ungesellig", "resignativ", "psychisch verelendet" etc. pp., kurz: "Schlaffis".
"Die Ordnung ist perfekt. Nicht eine Spur von Laster gibt es an der Uni Bremen. Drogen nicht. Auch das nicht, was der Jura-Stedent Karl Marx so geliebt hat: 'Saufen und Rauchen'. Vor allen Dingen gibt es hier nicht einen Hauch von Erotik. ... In 14 Tagen nicht ein einziges Pärchen bei Zärtlichkeiten angetroffen... auf fünf verschiedenen Klos gesessen. Sie waren alle unbefleckt."
"Die ganze 'rote Uni' Bremen molocht wie ein frühkapitalistischer Betrieb."
Mit der nicht gerade originellen Doppellüge, ausgerechnet Studenten würden "malochen" und das auch noch von früh bis spät (48-60-Stunden-Tag!), machen Intellektuelle in der ihnen eigenen elitären Art darauf aufmerksam, daß bei ihnen - im Gegensatz zur sonstigen Welt - Konkurrenz das Geschäft verdirbt, zumindest aber unter Niveau zu sein hat. Für einen Intelligenzler ist ein Leistungsvergleich unwürdig, weil ein Intelligenzler sich im Studium nicht etwa einfach nur auf einen angenehmen und lukrativen Job vorbereitet, sondern sich ganz besondere Qualitäten anzueignen hat, die ihn als Charakter vor den Massen auszeichnen.
Die Kritik an der 'mangelnden Selbständigkeit' und 'Unabhängigkeit' der Studenten ist eben alles andere als der Zweifel an der Angemessenheit studentischen Verhaltens in den Hörsälen, wo die Freiheit des Geistes im Mitschreiben und Lernen dessen besteht, was der Prof zu lernen aufgibt. Sie ist die Forderung an die künftige Elite der Nation, sich ihrer Position in der Hierarchie bewußt zu sein und - frei von allen Zwängen, denen andere unterliegen - auch mal zum Beweis ihrer geistigen Regsamkeit und freudigen Bestätigung des eigenen Freiheitsdranges über die Stränge zu schlagen. Bezeichnenderweise fällt dem Schreiberling in seinem Gejammer über die der Freiheit des Geistes unzuträgliche Maloche und Borniertheit des Studenten nichts anderes als die ohnehin nach Laune wahrgenommenen Freiheiten des Sich Besaufens, Klobeschmierens und der Liebe in Uni-Fluren ein. Es wird eben nicht kritischer Geist an bundesdeutschen Unis vermißt, sondern es geht um die kleinen akademischen Freiheiten, wie sie sich der hochgeistige Intellektuellenstand nun mal im Unterschied zu anderen herausnehmen darf. Deswegen läßt sich das Ganze auch genau andersherum als Beschwerde vortragen: wenig begeisterte Teilnahme am Geistesleben.
"Dozent Bernd Janssen: 'Ich habe mein Seminar diese Woche extra vorverlegt, weil einige Studenten sagten, sie müßten auf eine Geburtstagsfeier. Und jetzt ist trotzdem keiner gekommen.' Janssen hält noch eine andere Übung ab. Morgens um Viertel nach neun geht sie los. Drei Studenten sind pünktlich da. Um halb zehn sind es sieben, um Viertel vor zehn and es dreizehn, von denen freilich die Hälfte nicht richtig weiß, worum es geht. weil sie das letzte Mal nicht da war. ... Um 11 Uhr (nachts) überkommt die meisten eine unerklärllche Unruhe. Alle rennen dann plötzlich in die Kneipe'."
Wie übertrieben die verständnislos-dümmliche Schilderung des gekränkten Dozenten auch sein mag, sie beweist jedenfalls nicht, wie wenig intellektuell sich die Studenten benehmen, sondem daß sie hier ganz selbstbewußt die Freiheiten, die sie als Intellektuelle haben, praktizieren, indem sie zum Ärger des Profs die Uni auch mal Uni sein lassen und auf diese Weise seinem Ideal entsprechen, neben der ordnungsgemäßen Aneignung des Gebotenen einen lockeren Lebenswandel zu führen. Daß man als was Besseres gilt, sich auch dafür hält und sich deswegen auch allerhand Sachen leistet, über die die normale Menschheit den Kopf schüttelt, ist also durchaus der Stil, dessen sich Studenten befleißigen und der als studentisches Gütesiegel gilt. Da kann es natürlich nicht ausbleiben, daß sich die Wissenschaft selber dieses "Phänomens" annimmt, ein Problem daraus macht, dem sie einen lateinischen Namen gibt - "Neuer Sozialisations-Typ" - und auf diese Weise die Selbstgefälligkeit einer privilegierten Minderheit psychologisch fundiert. Daß Studenten sich so aufführen, soll nämlich nicht schlicht und ergreifend daran liegen, daß sie die Mittel dazu haben, sondern an der
"Sehnsucht nach konturloser Verschmolzenheit mit der mütterlichen Brust. Mit aller Macht drängt der Schlaffi an die platte Brust und in den weiten Uterus des Staates. Lehrer werden will der N.S.T. Doch vor dom Pensionsanspruch steht das Studium."
Der intellektuelle Menschenschlag hat also 1. eine besonders komplizierte Seele, weshalb er es sich 2. auch so schwer machen muß mit der Welt, wenn er 3. nach Amt und Würden strebt. Und die Studenten glauben das und besprechen sich jetzt selber so - wenn das kein intellektueller Stil par excellence ist! Da man sich um so wichtiger machen kann, je mehr Probleme man sich über sich ausspinnt, folgt schließlich noch als Krönung und Zielpunkt
Gerücht Nr. 3
das lautet, Deutschlands "neue Elite" sei "unpolitisch", "ohne soziales Engagement" etc.
Beispiel 1: Ein fürchterlich unpolitischer Mensch soll folgender Ex-Apo-Mann sein:
"Was ist aus ihrem Engagement für eine bessere Welt geworden?... Staatsanwalt Hartwig Duensing hat Grund für seine Zurückhaltung. Zwei Jahre nach Studienabschluß hat dieser 'Neue Jurist' aus Bremen bereits eine brillante Karriere hinter sich: Er ist die rechte Hand von Generalbundesanwalt Kurt Rebmann im Kampfe wider den Verfassungsfeind."
Das soll unpolitisch sein, wenn dieser ehemalige Studentenbeweger heute in vorderster Front darauf acht gibt, daß die Feinde der Freiheit ihrer verdienten Strafe zugeführt werden! Hier liegt doch eher der seltene Glücksfall vor, wo sich Beruf (Demokratieschutz) und Neigung (Engagement für bessere Welt) aufs innigste verbinden, und das alles bei guter Bezahlung. Wer weiß, ob Duensing nicht einfach aus seiner reichlich naiv-idealistischen Kritik an der Gesellschaft, sie könnte eigentlich viel schöner sein, als sie es ist, die praktische Konsequenz gezogen hat - nämlich die, da die Gesellschaft nun mal so ist wie sie ist und vielleicht immer noch besser als andere, alle Kritik an ihr aufzugeben und stattdessen mit Hilfe der Staatsgewalt dem Treiben derjenigen entgegenzutreten, die meinen, man müsse etwas gegen die bestehenden Verhältnisse unternehmen.
Die 'Wehmut', mit der sich hier der 'roaring sixties' erinnert wird, kommt freilich auch nicht vom Anliegen her, es wäre angebracht, wenn die Studenten auf die Barrikaden gingen und Politiker und Professoren mit Eiern beschmeißen würden, weil sie nichts anderes als eine freche Heuchelei ist. Sie kommt schließlich von denselben Journalisten und Intellektuellen, die anläßlich der öffentlichen Rekrutenvereidigung gegen die Protestierenden eine einzige staatstreue Hetze abziehen, die früher gegen die gefährlichen linken Elemente an Deutschlands Unis zu Felde gezogen sind und die heute, wo die meisten Studenten so staatstreue und realistische Ideale haben, daß sie sie auch nicht mehr in großer Zahl wie zu Zeiten der Studentenbewegung praktizieren und das Treiben der Politiker mit der gelassenen Distanz des selbständigen Kopfes begutachten und sich so einverstanden erklären, die Kritik an mangelndem Idealismus aus der Tasche zieht. Daß das Intellektuellendasein in der Botmäßigkeit des Geistes besteht, wofür sie der beste Beweis sind, möchten sie so nicht gelten lassen, und sie legen sich den kritischen Gestus zu, indem sie offiziell die Erlaubnis aussprechen, im Verlauf des Studiums auch schon mal mit dem politischen Radikalismus als nicht uninteressanter Idee und durchaus sinnvoller Sache im Rahmen eines erfüllten Intellektuellendaseins zu liebäugeln. Dafür steht
Beispiel 2 (die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt):
An den heutigen evangelischen Theologiestudenten Tübingens läßt sich entdecken, weshalb die ApO eigentlich gegen die Universität und die Gesellschaft demonstriert hat, politische Gründe - so verfälscht der "STERN"-Autor die Gesschichte - waren es auf keinen Fall.
"Aber es ist bei den Studenten auch etwas gleich geblieben, etwas was sich fortgesetzt hat, von 1968 bis heute. Auch damals wollten sie keine Fachidioten werden, sie suchten einen Sinn. Das brachte sie auf die Revolution. Das bringt sie heute auf Gott. Das Motiv der Studenten ist das gleiche wie damals."
Es ist die widerliche Tour, mit der die Presse hier die heranwachsende Intelligentsia vorführt als Leute, die es sich hübsch schwierig mit ihrem Einverständnis mit der Welt machen, indem sie angeben, sich (noch) auf der Suche nach dem Sinn für sie in der Gesellschaft zu befinden. Und damit auch keine Mißverständnisse bezüglich der Voraussetzungen einer erfolgreichen Sinnsuche aufkommen, werden die angehenden Pfaffen als Vorbilder darin gelobt, daß, sie die Demokratie leben:
"Daß Demokratie erst einmal rücksichtsvoller Umgang ist, das haben sie gelernt." Und diesem unverschämten Lob der Abstandnahme von jeder Kritik und der Besinnung auf die wahren Werte zwischenmenschlichen Umgangs, die auch der Staat an seinen jungen Akademikern gerne sieht, folgt die hämische Beschimpfung auf dem Fuße:
"Wie aber, wenn das Volk auf Seelsorge genausowenig Wert legt wie auf Revolution? Das ist eine müßige Frage. Denn was das Volk selber will, ist allen, die's angeht, vollständig wurscht. Den Theologiestudenten in Tübingen ist es wurscht..."
Es ist schon eine reife intellektuelle Leistung der Journaille, heute mit den volksfreundlichen Idealen der Studentenbewegung, gegen die man damals gehetzt hat, sich über die kritisch-konstruktiven angehenden Moralapostel zu mokieren, wo sie sich nicht streng im vorgeschriebenen Rahmen des Studiums bewegen, und das als verständnisvolle Würdigung kritischer Ambitionen auszugeben.
Fazit:
Die ganze Problematisiererei der heutigen Studenten strotzt vor Selbstzufriedenheit der Intellektuellen mit sich selbst. Wer wäre besser geeignet zum Ausdruck zu bringen, wie sicher sich der Staat der Funktionstüchtigkeit und Willfährigkeit des studierenden und studierten Teils der Menschheit sein kann, als die für Bildung zuständigen Politiker, und zwar nicht nur dadurch, daß sie selbst besonders wertvolle Produkte deutscher Universitäten sind. Schon das Motto, mit dem sie sich in die Debatte "Student '80 - furchtbar" einmischen, zeigt, daß es überhaupt keine reale Grundlage dafür gibt, mit dem modernen Geistesschaffenden unzufrieden zu sein: "Reform unerwünscht". Lassen wir zum Schluß einen davon mit seinen Änderungsvorstellungen zu Wort kommen:
"Drei Prozent der Ministerialbeamten und der Universitätsverwaltungsbeamten, zwei Prozent der Professoren, ein Prozent der sonstigen Mitarbeiter und ein halbes Prozent der Studenten auf den Mond schießen und dort lassen - dann wären alle Probleme gelöst."