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El Salvador
IM "LIBERALISIERUNGS-SOG"
"Für die Junta besonders negativ wirkt sich die seit ihrem Machtantritt intensivierte Gewalttätigkeit aus. Kirchenkreise registrierten von Januar bis Agril über 2000 Tote. Für die folgenden Wochen bestehen keine detaillierten Angaben mehr, weil die Geschehnisse die Kapazität der Chronisten überfordert haben."
(Neue Zürcher Zeitung, 5.6.80)
Der Sturz der "Familiendiktatur Somoza" in Nicaragua hat die heile Welt der mittelamerikanischen Juntas etwas durcheinandergebracht und die Gefahr eines "Domino-Effekts" an die Wand gemalt. Damit sich die von politischen Beobachtern festgestellte "Linksdrift" nicht zu einem veritablen Orkan aufbläst und einen "Zwergstaat" nach dem anderen in den Abgrund eines Sozialismus a la Nicaragua hinabzieht, verordnete die westliche Presse den dortigen Herrschern einen "heilsamen Schock" - den diese sich im wohlverstandenen Eigeninteresse auch selber versetzten. So haben sich die Militars in El Salvador schon im Oktober 79 auf den (auch von den USA) sog."Mittelweg" besonnen.
Seit sie den - wie üblich - mittels eines massiven Wahlschwindels an die Macht gelangten Präsidenten-General Romero "davongejagt" hatten - was sich auch so sagen läßt: "Romero und seiner Familie wurde ein geordneter Rückzug in die Vereinigten Staaten erlaubt." (General-Anzeiger; 17.10.79) -, sind sie mit dem Versuch beschäftigt, "durch Reformen die Revolution aufzufangen" (Die Zeit). Daß sich die "Retter des Vaterlandes" nicht nur des Wohlwollens an allerhöchster Stelle (auch die Presse faselt ständig von "Siegen der Demokratie" und einem ungeheueren "Liberalisierungs-Sog") sicher sein können, muß nicht verwundern - US-Sicherheitsberater Brzezinski:
"Die Vereinigten Staaten könnten sich niemals ein neues Nicaragua erlauben, selbst wenn sie bei seiner Verhinderung äußerst bedenkliche Maßnahmen ergreifen müssen."
Kaffee und Gewalt
Reform war das Motto, unter dem die neuen Männer (Die Welt bewundernd: "Intelligente, verantwortungsbewußte Männer, keiner älter als 50 Jahre. Viele haben studiert...") von nun an das Land regieren wollten. Angesichts der Vorgänge im Nachbarstaat Nicaragua fürchteten sie um die Herrschaftsausübung in einem Staat, in dem sich einige "große Familien" (auch die "14 Familien" genannt) die Kaffeeplantagen teilen und das Militär seit 1932 (als 20000 "kommunistisch gesteuerte" Landarbeiter für diesen Zweck dran glauben mußten) für die brutale Absicherung der Geschäfte sorgt. Man war beunruhigt - "Wir haben besorgt verfolgt, wie sich seit zwei Jahren die Lage zuspitzte. Terror, Repression, Terror, Repression." (Juntaoberst Gutierrez) - und sagte sich: "Senores, so kann es nicht weitergehen. Wir regieren gegen das Volk." Weil man gegen das Regieren selber nichts einzuwenden hat - schließlich zog sich das Militär ja nicht beleidigt in seine Kasernen zurück und überließ die ach so schwierige Ausübung der Macht anderen Leuten -, dachte man sich ein Programm zur "gerechten Verteilung des Reichtums" aus und ergänzte damit das althergebrachte Niedermetzeln von Bauernaufständen und die permanente Ausschaltung jeder Opposition um die Ideale einer 'zeitgemäßen Herrschaft' - in der Hoffnung, daß erstens allein schon die bloße Verkündigung einer solchen Willensabsicht die vom Reichtum ausgeschlossenen Landarbeiter (die zu zwei Dritteln nur während der Ernte eine Anstellung finden und zu ihrer Existenzsicherung zur Emigration in die umliegenden Länder gezwungen sind) zur Ruhe bringen würde, und daß zweitens dadurch das Entstehen einer Koalition zwischen den bürgerlichen Kräften und der Guerilla verhindert werden würde.
Angesprochen von so einer Idee der gerechten Herrschaftsausübung mußten sich natürlich sofort diese politischen Kräfte fühlen, da sie schon lange einen anderen, weil auch für sie profitableren Umgang mit den Massen im Kopf hatten. Intellektuelle und bürgerliche Oppositionspolitiker setzten sich mit der Junta zusammen, übemahmen einige Posten, und heraus kam ein rundes Reformprogramm, das so aussah: Billigere Lebensmittel und Bustarife, höhere Mindestlöhne, Enteignung des Großgrundbesitzes (die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt in ihrer bekannt realistischen Art von "Zerstückelung"), Verstaatlichung der Banken und des Agrarexporthandels. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Reformfreunde dauerte allerdings nicht lange: Bereits nach einigen Wochen zogen sich alle 'demokratisch gesinnten' Politiker bis auf ein paar Christdemokraten, die weiter am "Revolutionsprojekt" mitarbeiten wollten, frustriert aus der Junta zurück, weil sie mit der Durchführung der gemeinsam ins Programm hineingeschriebenen Reformen nicht einverstanden waren. Es ist eben schon ein Unterschied, ob eine Regierung die Enteignung von Banken oder höhere Löhne dekretiert oder ob man sie gegen die betroffenen Personen durchsetzt, die solche Erlasse als bloßes Stück Papier behandeln, weil sie sich nichts dreinreden lassen wollen, und die darüber hinaus sogar ihre Interessenvertreter selber in der Junta sitzen haben. Angesichts einer Regierungskoalition, die sich unter dem negativen Programm zusammengefunden hat, zur Verhinderung von Verhältnissen wie in Nicaragua Reformen anzukündigen, setzt erstens der Streit darüber ein, welche Reformen in welchem Ausmaß ins Gespräch gebracht werden, und setzen sich zweitens sehr schnell die bewährten Kräfte und bewährten Methoden durch. Dies zeigte sich recht eindeutig bei der Agrarreform:
"Die rapide Zunahme der Zahl der zivilen Todesopfer setzte mit der Agrarreform ein. Die Sicherheitskräfte nutzten diese in vielen Fällen, um bestehende Landarbeiterorganisationen auf Latifundien zu zerschlagen und ganze Landstriche militärisch zu besetzen." (Neue Züricher Zeitung)
Die Bombe auf dem Vulkan
Klar ist also eines: Längerfristige Erwartungen einer modernen, unter Einbeziehung der Massen (von wegen Wahlrecht und Mindestlöhnen und so) den Ansprüchen einer nach innen und außen stabilen Herrschaftssicherung haben sich nicht erfüllt, was von der Junta ja auch gar nicht beabsichtigt war - und auch der alte Gegensatz zwischen Militär und Guerilla in der "vor sich hin tickenden Bombe" El Salvador hat seinen früheren Stand wieder erreicht. Die in ihren Herrschaftserwartungen enttäuschten oppositionellen Parteien haben sich unter der Führung des ehemaligen Landwirtschaftsministers und Großgrundbesitzers Alvarez zur "Revolutionären Demokratischen Front" zusammengeschlossen und werben auf Reisen in Amerika und Europa für ihr Programm der "einzigen Alternative" fur El Salvador, das nicht mit Marxismus verwechselt werden dürfe. Während sich diese als die geeigneten zukünftigen Führer des Landes dem Imperialismus andienern, sieht dieser keinen Grund, von seinen bisherigen Agenten in der "Sprengkapsel Mittelamerikas" abzurücken, solange sie noch am Ruder sind. Die Junta hat auf die Versuche der verschiedenen Guerillagruppen, durch die Intensivierung ihrer Aktionen einen "Volksaufstand" gegen die "ungewöhnliche Form der Unterdrückung" zu entfesseln - wobei jedermann klar ist, daß bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen ein Blutbad dabei herauskommen muß -, durch die Annullierung aller "weiteren Reformpläne" reagiert; die militärische Front ist wieder die einzige, an der die Obristen operieren - unterstützt u.a. durch die offiziell verbotene, aber ungehindert weitermordende paramilitärische Truppe ORDEN. Beim Ordnungmachen gegenüber "Kommunisten" und "Verrätern" wetteifern sie mit den privat organisierten Todesschwadronen wie der "Geheimen Antikommunistischen Armee" unter ihrem Chef Roberto d'Aubuisson, dem Ex-Geheimdienstchef der Armee. Jedes, sei es noch so taktisch gemeinte Eingehen der Junta auf die Wünsche der Massen, ist für die Landbesitzerclique "Verrat an der nationalen Sache", und die Juntafuhrer Majano und Gutierrez sind von d'Aubuisson schon "zum Tode verurteilt" worden - wobei deren Verhalten bei seinem Putschversuch Mitte Mai Aufschluß über die eigentlichen Machtverhältnisse gab: Nach seiner Inhaftierung mußten sie ihn schleunigst wieder laufen lassen, weil die Mehrheit der Militärs dies forderte. Der Kampf gegen die "Ungehorsamkeit" gegenüber Regierung und Plantagenbesitzern ist also voll aufgeblüht und wird zusätzlich angeheizt durch die Konkurrenz zwischen Junta und "Rechten". Es ist dafür gesorgt, daß sich in El Salvador, "dem Land der Vulkane, der Kaffeeplantagen und der krassen sozialen Gegensätze" die Welt nicht so ohne weiteres ein "neues Nicaragua" ergibt. Und für den Fall der Fälle, daß das "Pulverfaß" doch noch irgendwie explodiert, ist ebenfalls vorgesorgt: An den Landesgrenzen im Dschungel von Guatemala hat sich ein stattliches, von den USA finanziertes Aufgebot von Exilcubanern und Ex-Nationalgardisten aus Nicaragua Gewehr bei Fuß gesammelt, um den Domino El Salvador vor dem "drohenden Kommunismus" zu schützen.
Klappern gehört zum Handwerk
Kürzlich hat sich der argentinische Wirtschaftsminister Martinez de Hoz in Bonn aufgehalten, um die Verhandlungen über den Bau des Atomkraftwerks "Atucha II" durch die Siemens-Tochter KWU offiziell zum Abschluß zu bringen. Bonn befördert die Aktivitäten seines heimischen Kapitals durch einen 'projektgebundenen' Kredit der staatlichen 'Kreditanstalt für Wiederaufbau' von 850 Millionen DM und beweist so, daß sein Vertrauen in die argentinischen Generäle ungebrochen ist. Die Begleitmusik zu dem Vertragsabschluß war die gleiche wie üblich: Dem SPD-Linken Thüsing fiel wieder einmal die Existenz von politischen Gefangenen in Argentinien ein, Amnesty International beschwerte sich, daß die Militärs dort, wenn ihnen beim Transport überm Meer die Gefangenen aus dem Flugzeug fallen, auch nicht vor Menschenrechtsverletzungen an deutschen Staatsbürgern zurückschreckten, und Graf Lambsdorff nahm die Gelegenheit wahr, seinem argentinischen Kollegen justament die Liste mit den Namen der in Argentinien verschwundenen Deutschen zu übergeben, die er ihm schon bei seiner letzten Lateinamerikareise präsentiert hatte. Freund Martinez versicherte glaubhaft, daß er der Sache erneut nachgehen und der Bundesregierung das Ergebnis der Prüfung mitteilen werde - kurzum: Man ist sich allerseits einig über die zum Geschäft gehörigen faux frais; die einen sind zuständig für das Gejammere, die anderen setzen sie durch, wobei es auch schon mal vorkommt, daß sich der Herr Minister hinstellt und so tut, als ob...
Neger sind auch Menschen
"Die USA haben die südafrikanische Regierung angesichts der Rassenunruhen in ultimativer Form zur äußersten Zurückhaltung im Vorgehen gegen Demonstranten aufgefordert." (Süddeutsche Zeitung, 20.6.80)
Und das ausgerechnet, nachdem die aufsässigen Neger in Miami von der amerikanischen Polizei auftragsgemäß brutal zur Raison gebracht wurden. Neger sind nämlich vor allem dann "auch Menschen", wenn sie als Wähler gefragt sind. Blöd genug zum Stimmvieh sind sie ja, wie jeder anständige Weiße auch, und auf die Menschenrechte hält noch jeder was, zumal wenn es um die unterdrückten eigenen Rassenbrüder im Ausland geht. Da ist man ganz Amineger. Dabei sagt Carter doch deutlich genug, was es damit auf sich hat, z.B. vor drei Wochen:
"In der Außenpolitik darf man es mit der Menschenrechtspolitik nicht immer so genau nehmen."
Eben das ist der Witz: Daß sich Politiker auf sie berufen, wenn es politisch opportun ist. Daß er das offen aussprechen kann, ohne Empörung hervorzurufen, spricht ebenfalls für die Aufgeklärtheit der Massen. Auf dem Felde der Außenpolitik leuchtet jedem die Relativität dieses Ideals ein, und auch innenpolitisch läßt man sich im Namen der Menschenrechte einiges bieten - das ist politische Vernunft!