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VDS-Studentenfestival in Mainz
JAHRMARKT DER EITELKEITEN
"Das Studentenfestival als Kampfform der Studenten - das klingt nicht schlecht." (MSB)
Ihren jüngsten Forstschritt hat die "demokratische Studentenbewegung" vom 8. und 9. Juni in Mainz gemacht: 25000 junge Menschen sollen es gewesen sein, die dem Aufruf des VDS zum ersten Studentenfestival (Markenzeichen: ein zähnebleckender EIefant) folgten. Daß es immerhin so viele waren, darf ebenso wenig verwundern wie, daß es nur so viele waren: Es wurde nämlich einmal öffentlich zur Schau gestellt, was Studenten ohnehin die ganze Zeit treiben - eben Studentenleben.
Dazu gehört auch ein Demonstrationsspaziergang durch Mainz, vor allem aber viel, viel Kultur
"für uns alle": "Rock und Lieder gegen rechts, Jazz-Frühschoppen, antiimperialistisches Solidaritätskonzert mit Bongi Makeba, Frauenzelt mit Frauenliedern, Alis Hexenkessel, Workshop mit Liedermachern, Literaturcafe, Stände und Ausstellungen, Erfahrunasaustausch der verschiedenen Initiativen" etc. etc.
"Ronald McDonald (USA) kommt nicht!" (MSB)
Stattdessen wurden nämlich die Bouletten von einem freundlichen MSBler mit solidarischem Lächeln verkauft. Daneben waren Frühlingsrollen aus Vietnam, gebratene Bananen aus Chile und sowohl persische als auch kurdische Hamburger auf der "Straße der internationalen Solidarität" zu haben, ohne daß "unser Land" dabei vergessen worden wäre: "Lukullisches aus der BRD" sorgte gleichberechtigt neben Kebab für sinnvollen Konsum. Zum Ausgleich gab's Sport. Auch hier wurden die Hürden auf besondere Art genommen: Übersprungen wurden
"die Schranken des traditionellen Sports, die Aufteilung in Anfänger und Fortgeschrittene, in Männer und Frauen." (Dem Vernehmen nach gewann die gemischte Elf der Fachschaft Philosophie Clausthal-Zellfeld das Endspiel um den VDS-Wanderpokal durch Besetzen des gegnerischen Tores).
Und wem nach einer "kulturellen Alternative" zum Rock zumute war, der konnte im "Klassiker-Workshop" manches "Aha-Erlebnis" verbuchen: Der Beethoven ist nämlich "nicht nur gut für den offiziellen Bonner Sommer", sondern "Beethoven und andere Klassiker gehören zu uns!" Und auch derjenige, welcher nicht selbst die Bratsche streichen wollte, sondern sich z.B. zur Schießbude hingezogen fühlte, brauchte auf intellektuellen Genuß nicht zu verzichten. Zwar war beim Wurfspiel kein Teddybär zu gewinnen, doch die Genugtuung, einen F.J. Strauß vorstellenden Pappkameraden zu treffen oder einen Büchsenhaufen namens "Bürokratie" einzuschmeißen, ist schließlich Gewinn genug. Da macht der Widerstand Spaß! So achtete man allenthalben darauf, daß bei aller Nachahmung von Jahrmarktsatmosphäre die Stimmung doch niemals auf Bierzeltniveau absank. Man weiß schließlich, was man sich als Intellektuellem schuldig ist, auch wenn die meisten Besucher doch eher einer "Konsumenthaltung" frönten und die häufige Aufforderung zum "Selbermachen" zumeist nur die "Kreativität" derer stimulierte, die bereits mit der Vorbereitung und Organisation des Festivals ein Vierteljahr lang ihre politischen Aktivitäten bestritten haben...
"Dieses Festival soll die Betroffenheit der Studenten von Fragen von gesellschaftlicher Bedeutung aufzeigen." (VDS)
Daß die nämlichen Leute auch das Gros des Publikums der verschiedenen Diskussionsveranstaltungen ausmachten, heißt keineswegs, daß dieselben etwa überflüssig gewesen wären, im Gegenteil. Daß es ein solches "Diskussionsangebot" gibt, gehört schon zu den Essentials eines Studentenfestivals. Deshalb, brauchte man aber auch nur mal eben reinzuhören, bevor man zur Reggae-Disco weiterflanierte, die die weitsichtigen Veranstalter parallel zur "Stoppt-Strauß"-Diskussion angesetzt hatten. Gemäß dem Motto "Kann man auf so einem Fest denn auch politisch diskutieren? Ja, man soll!" (MSB) lief denn auch das Diskussionsprogramm ab:
- "Glück und Liebe" war das von den aufgeklärten Zeitgeistern bei weitem bevorzugte "Diskussionsforum". Ganz deplaciert wäre hier das Bedenken gewesen, was die traute Zweisamkeit denn gerade im Diskussionszelt verloren hat. Schließlich war "das Glück" hier Thema, und es ging um die Frage nach dem Sinn von "Liebe". Dabei konnte man sich "als Subjekt" so schön "einbringen" und zugleich in höheren "Gemeinsamkeiten" schwelgen. Daß sich hierbei äußerst viele "Probleme" auftun, versteht sich von selber, denn: "Wo bleibt denn da die besondere Beziehung? Die politische Perspektive kann Probleme der Zweierbeziehung überfrachten." Oder noch schlimmer: Kaum ist man verliebt, stellt einem die "Beziehung" schon die Gretchenfrage: "Arbeitest du mit in der Fachschaft?" Aber keine Angst! Spätestens das Festival hat bewiesen, daß die politisch Aktivsten auch die schönsten Seelen haben.
- "Stichworte zur geistigen Situation unserer Zeit" hatte nicht nur den Titel von einer bundesdeutschen Kulturinstitution geklaut.
Die Betrachtung der Welt als Problem des Geistes begann, indem in aufgelockerter Atmosphäre Katastrophen aller Art gemütvoll an die Wand gemalt wurden - die Demokratiekatastrophe dank Strauß, die Weltkatastrophe mal durch Krieg, mal durch fehlendes ökonomisches Bewußtsein; in jedem Fall war der Mensch bald als Wurzel aller "Probleme" namhaft gemacht. Ein Herr Prof. Opitz empfahl ihm, "im Zurück auf die Anthropologie nach vorwärts" zu blicken, "denn das wahre anthropologische Bedürfnis des Menschen ist der Verzicht". Und der grüne MdL Hasenclever fragte seine geneigten Hörer: "Merken wir, wenn wir morgen für den autofreien Sonntag demonstrieren, daß wir gegen unser eigenes Konsumbewußtsein auftreten?" Er konnte mit seiner Resonanz zufrieden sein. Prof. Schleifstein von der DKP regte an, daß "man bei allen Problemen nicht auf die analytische Methode des Marxismus verzichten sollte" und erreichte damit immerhin, daß der Diskussionsleiter, MSBler und Doktorand aus Marburg, "im stattgefundenen Dialog einen Prozeß des Aufeinanderzugehens" feststellen konnte.
- "Die Studentenbewegung" als intellektueller Dauerbrenner durfte natürlich nicht fehlen. Sie sorgte einmal mehr für eine bewegte Debatte: "Was bewegt sich? Die Studenten oder nur die Hochschulgruppen? Ist die Studentenbewegung tot oder lebt sie?" Die Antwort lautete wie immer: "Sie ist tot, stinkt aber noch nicht!" überhaupt ist sie lebendiger denn je, denn der Mann von den VDS, der es schließlich wissen muß, wies auf das Festival hin, das gerade im Gange ist, und erläuterte, "daß es doch viel schwieriger ist, so ein Festival zu organisieren als seinerzeit einen Sternmarsch". Na also:
- Vom "Kampf gegen rechts" ist zu berichten, daß er "zwangsläufig wie die Kandidatur von Strauß" direkt oder auf dem Umweg über die Grünen oder die DKP die Unterstützung der SPD notwendig macht. Allen voran der Plakatkünstler Staeck, der in einem Klima dahinvegetieren muß, "unter dem wir Künstler als erste zu leiden haben." Wie immer voll theoretischen Durchblicks gab sich der Professor und Faschismusspezialist Kühnl aus Marburg. Seine These, wonach die BRD-Kapitalisten es in Europa zur "ersten Führungsmacht" gebracht haben und deshalb jetzt mittels Strauß "die Krise als die Bedingung ihrer expansionistischen Tendenzen" ausnutzen wollen, wurde übereinstimmend als "qualifiziertester Beitrag" empfunden. Als ein DKPler die Strategie vortrug, "die SPD durch massiven Druck zu ihrem Fortschritt zu zwingen", konnte schließlich ein Juso die Debatte zusammenfassen mit der Parole: "Nicht die SPD alternativ wählen, sondern die SPD wählen!"
Der eigentliche Kampf der Massen gegen rechts fand währenddessen im Rockzelt statt.
"Warum in Mainz?" (MSB)
Daß das Studentenfestival von 1980 als "eine große Möglichkeit, sinnvoll zu kämpfen, zu diskutieren und zu feiern" in die Geschichte eingehen wird, hatte der MSB bereits vorher jedem Zweifel entzogen. Er hatte nämlich folgende Traditionslinie ins Bewußtsein gehoben:
"Z.B. die demokratischen Traditionen der Mainzer Fassnacht. In Mainz versteht man zu feiern. In Mainz wurde 1832 der erste Karnevalsverein gegründet. Die Fassnacht hat antifeudale, revolutionär-demokratische Wurzeln. Das verraten noch heute die Fassnachtsymbole... die vierfarbige Narrenkappe knüpft an die Mütze der Mainzer Jakobiner an."
Na klar, und der Star von MCV/MCC hieß ja Ernst Neger...