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Dieser Artikel ist in der MSZ 4-1980 erschienen.

Sach-Comics
DONALD FREUD UND MICKY MARX

Obwohl Lachen ein Ausdruck freien Geistes ist, findet dieser bekanntlich nichts lustiger als die Dummheit anderer - was tief blicken läßt in die Beschaffenheit solch überlegenen Verstands: Er bewundert sich als Macht über die Unvernunft, die zur Demonstration solcher Souveränität nie blöd genug sein kann. In seinen freiesten Stunden delektiert sich der bürgerliche Geist an sich selbst als der Fähigkeit, jedweden Schwachsinn auszubrüten. Daß die Freude an verrückten Ausgeburten des eigenen Denkens einigermaßen matt ist, stört in diesem Zusammenhang auch uns nicht so sehr wie das bornierte Urteil, das bürgerliche Intellektuelle damit über sich selber fällen: Ihre Gedanken schätzen sie als freischwebende, also willkürliche, und je mehr sie es sind, um so vergnüglicher.

Kein Wunder also, daß Verlage wie Rowohlt einem derartigen Bedürfnis nach geistigem Dünnpfiff nachkommen und ihr Geschäft damit machen, Denken als Qualle blühenden Unsinns herauszustellen. Dazu eignen sich die dümmsten Gedanken, Vorurteile, Ansichten etc., deren ein bürgerliches Hirn fähig ist. Und wo könnte es die zahlreicher finden als bei seinen 'Klassikern', die sich dieses Prädikat ja vor allem wegen ihrer 'Originalität' verdient haben. Daß im Kopf des modernen Intellektuellen in der Tat nichts anderes als dies geistlose Nebeneinander verschiedenster Ideen, Einfälle etc. herrscht, die darum auch gleich in der schliclnten Form zusammenhangloser Vorstellungen und Bilder einherschreiten, zeigt sich an seiner Vorliebe für die Rowohlt'sche Kreation der "sach-comics", die

"ernsthaft (informieren), ohne den Spaß an der Sache zu verderben. Sie nutzen die 'phantastischen' Erzählmittel der Comics für das Beschreiben der Wirklichkeit" (Verlagsankündigung).

So gibt es neuerdings "sach-comics" über Freud und über die Atomkraft; auch an Einstein, Lenin und Marx wollen sich Intellektuelle bestätigen, daß 'Durchblick' heutigentags eine Sache ist, bei der man sich vor Lachen in die Hosen macht, besteht sie doch in der Denunziation jedweden Gedankens. Daß psychologische Albernheiten den größten Teil eines Intellektuellenhirns ausfüllen, belegt die Tatsache, daß das Freud-Bändchen der Rowohlt-Reihe das meistverkaufte ist. Abgesehen davon ist natürlich für ein Comic-Buch die Psychoanalyse schon deswegen besonders gut geeignet, weil sie sich schon von Haus aus wie die richtigen Comics mit nicht ganz richtig tickenden Gestalten befaßt, und die lassen sich halt einmal ganz besonders komisch zeichnen.

So läßt sich die Freud'sche Idee, in unserem Bewußtsein gäbe es als ein riesengroßes Loch das Unbewußte, das nicht leicht zu ergründen sei, prima in das Bild einer Wendeltreppe umsetzen, die in einem hohlen Kopf in unergründliche Tiefen führt. Dementsprechend stellt sich der Querschnitt eines Neurotikerhirns als Irrgarten dar. Und was kommt bei der Lehre von der analen Phase, derzufolge die "Ausscheidungafunktion miit den sozialen Vorstellungen von Ordnung, Sauberkeit und Ekel" verknüpft sein soll, heraus? Eine ordentliche, fast lebensgroße Scheißwurst mit einem auf dem Nachttopf abprotzenden Baby, und einer Mammi, die sich die Nase zuhält und mit dem gesellschaftlichen Zeigefinger droht.

Alle Menschen in diesem sachlichen Psycho-Comic sind Verrückte, denen ein psychischer Defekt ins Gesicht geschrieben steht. Wie soll man den Glaubenssatz Meister Freuds, daß jeder Mensch einen Tick habe, der seine ganze Individualität ausmacht und ihn Tag und Nacht verfolgt, auch besser verdeutlichen? So hängt dem geilen Fetischisten geifernd der Bläschel aus dem Maul, während er an einem überdimensionalen Stiefel rumtumt ("Fixierung auf anormale Teilobjekte"), Hysteriker sehen aus wie vampirgesichtige Hyänen, und dem Pfaffen, der Freud beschimpft, er reduziere alles aufs Sexuelle, wächst anstelle eines Kopfes ein Pimmel, weil der Pfaffe ja immer nur an das Eine denkt.

Bei der Darstellung der Fallanalyse "Der kleine Hans" hat der Vater einen Pferdekopf, damit man mit einem Blick erfaßt, worauf Freud rauswill, nämlich daß der kleine Hans nicht vor Pferden, sondern vor seinem Alten Angst hat, was ja nicht verwunderlich ist - bei solchen Gliedmaßen. Genauso wird auch der Faschismus verulkt: Die Nazis krabbeln als kleine aufziehbare (= manipulierte Roboter) (= Unmenschen) auf der Landkarte Europas herum.

Verglichen mit der von Freud inspirierten erbaulichen Betrachtung der Welt stellt sich die von "Charly" (= Marx als Comic-Figur) angeregte als "wirklich harter Stoff und viel zu kompakt" dar:

"Er schrieb einfach Abhandlung auf Abhandlung, ohne sich viel darum zu kümmern, wieviel Leute ihn verstehen würden." (Vorwort)

Die Sturheit, auf "all den Tausenden von Seiten" so einfach "philosophische und ökonomische Begriffe" vor sich hinzutheoretisieren, peinigt zwar Rius, den Verfasser des Buchs, beflügelt ihn andererseits jedoch zu den eigentlichen Späßen seines Comics. Und die sind darum allesamt methodischer Natur: Durchblicker und Ignoranten werden da in ketzerischer Absicht aufeinander gehetzt, was z.B., bei der Illustrierung des "Kommunistischen Manifests" zu folgender Köstlichkeit führt:

(Abb. siehe GIF-Datei in diesem Brett. Anm. MG_ARCHIV)

Auch die Geschichte mit dem Balg, das Marx seiner Haushälterin andrehte und verleugnete, läßt den Marx-Interessenten von heute schallend lachen: 'Ist es denn die Möglichkeit... !' 'Ja, so war Charly!'

Die Erkenntnis schließlich, daß "der haarige alte Bursche" zu Unrecht "überall in der Welt verantwortlich gemacht (wird) für die Erfindung (!) des Kommunismus", der doch hauptsächlich aus den "Wurzeln" abendländischen Denkens herrührt, vermag junge deutsche Intellektuelle allemal zu einem überlegenen Schmunzeln zu animieren. Und so hat zuguterletzt auch der Rowohlt-Verlag bei 50.000 verkauften Marx-Exemplaren noch etwas zu lachen.