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Dieser Artikel ist in der MSZ 1-1987 erschienen.

Systematik


ENDSTATION SEHNSUCHT

Wilfried Kretschmann: Einstiegsszenario für den 25.1.1987 - Für einen sofortigen Ausstieg aus der Koalitionstolerierungsdebatte (taz, 25.9.):

"Deshalb für alle potentiellen Wähler eines sozialökologischen Reformbündnisses eine realistische Option für die erste gemeinsame Legislaturperiode. Ein Szenario... könnte so aussehen

Wunschliste

Die Grünen stellen in einer SPD-Grüne-Regierung den Minister für Umwelt und Energie und die Landwirtschaftsministerin.

Erstens ist in diesen beiden Politikfeldern der innerparteiliche Konsens umfassend vorhanden.

Zweitens umgrenzen beide Ressorts einen Kernbereich grünen Selbstverständnisses, die ökologische Frage.

Drittens besitzen wir hier gegenüber der SPD ein unverwechselbares Profil...

Viertens wird uns in diesem Bereich Kompetenz zugetraut.

Fünftens können wir uns auf wirklich regierungsfähige Konzeptionen stützen... Umwelt- und Energieminister wird Joschka Fischer. Er ist populär, gescheit und gewitzt, konnte Erfahrung sammeln und hat vor allem die Fähigkeit, solch ein Bündnis mit seinen Sollbruchstellen Tag für Tag durch die Klippen zu steuern.

Landwirtschaftsministerin wird Antje Vollmer. Sie ist kompetent auf diesem Gebiet, hartnäckig und mit Bauernschläue versehen, Eigenschaften, ohne die man (!) in Brüssel wenig ausrichten würde. Zugleich wäre mit ihr der gemäßigt fundamentalistische Flügel einbezogen.

Als weiteres Ministerium fordern wir ein Frauenministerium. Zwar gibt es in der Partei keinen Konsens auf dem Gebiet der Frauenpolitik. Den gibt es aber insgesamt in der Gesellschaft nicht. Dieses Ministerium fordern wir also im Sinne einer ministeriellen "pressure group", da die Grünen trotz aller Defizite in diesem Sektor noch am glaubwürdigsten von den Parteien dastehen. Immerhin werden über 50% unserer Abgeordneten Mandatsträgerinnen sein.

Frauenministerin wird Waltraud Schoppe, da sie am ehesten zwischen den verschiedenen feministischen Strömungen vermitteln könnte (soweit ich das als Mann beurteilen kann).

Von vor eherein - dies ist die entscheidende Vorleistung gegenüber der SPD - verzichten wir auf das Außenministerium. Weder wäre hier derzeit eine gemeinsame außenpolitische Strategie mit der SPD möglich, noch bestände innerparteilich ein einigermaßen trag- und konsensfähiges Gesamtkonzept. Das bedeutet, daß wir im wesentlichen eine Fortsetzung sozialdemokratischer Entspannungspolitik tolerieren, zumal es die Koalition mit Sicherheit vier Jahre beschäftigen würde, Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper wieder aus dem Land hinauszubringen...

Allerdings fordern wir als viertes Ministerium das Entwicklungshilfeministerium, um über diesen Weg - ähnlich wie in der z.Z. regierenden Koalition die CSU - Einfluß auf die Außenpolitik zu nehmen. Die Frage von Armut, Unterdrückung und Ausbeutung der Dritten Welt durch die Industrienationen entspricht... besten linken Traditionen der GRÜNEN...

Uschi Eid, die Spitzenkandidatin in Baden-Württemberg, sollte dieses Ressort führen. Sie kom aus der Internationalismusarbeit und hat in ihrer bisherigen Afrikapolitik im Bundestag bewiesen, daß sie glaubwürdig blockübergreifende Ansätze entwickelt. Zusammen mit Waltraud Schoppe kontrastiert sie gegenüber Joschka Fischer und Antje Vollmer zugleich als ein weniger macht- und öffentlichkeitsorienterter Politiker(innen)typus.

Das vorgeschlagene Gespann repräsentiert politischen und biographischen Pluralismus, ist regional ausgewogen und übererfüllt das Frauenquotum.

Im Sinne notwendiger Gelenkfunktionen zu wichtigen sozialdemokratisch geführten Ressorts wären noch ein Staatssekretär im Auswärtigen Amt (Otto Schily), im Wirtschaftsministerium (Johannes Berger) und im Arbeitsministerium (Willi Hoss) zu erstreiten.

Zu allen Politikfeldern, in denen wir das Ressort nicht führen, also keine konzeptionelle Gesamtverantwortung wahrnehmen, geht es immer um wichtige und wegweisende Einzelforderungen, wie z.B. Einführung eines Mindesteinkommens.

Völlig raushalten würden wir uns aus dem Innenministerium...

Dasselbe gilt für das Verteidigungsministerium. Aus diesem Feld der Politik müssen wir einen Bundesbeauftragten für Abrüstung fordern...

Der parteilose Alfred Mechtersheimer wäre hier ein ausgewiesener Aspirant."

Noch irgend jemand zu kurz gekommen?