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Dieser Artikel ist in der MSZ 10-1984 erschienen.

Systematik

"Integration" versus "nationale Identität"
RASSISTEN LERNEN LATEIN

Bei den gelehrten Besprechungen der "Ausländerfrage", die heute jedermann beherrscht, sind so häßliche Töne wie "Ausländer raus!" kaum zu vernehmen, wenn eine härtere Gangart im Umgang mit dem nunmehr unerwünschten Menschenmaterial propagiert wird. Die gebildeten Kommentatoren des Ausländer-"Problems" beherrschen die Kunst, aus der staatlichen Verfügung darüber, was welche Ausländer dürfen resp. müssen, einen ihnen entsprechenden Umgang mit ihnen zu machen.

Einfach fehl am Platze ist völkisches Vokabular von Herrenrasse und minderwertigem Erbgut anderer Völker bei der Frage, die sich aufgeklärte Demokraten nach jahrzehntelanger Benutzung ausländischer Arbeitskräfte stellen: Ob sie denn geht, die "Integration", und wie sie, wenn überhaupt, zu gehen hätte. Keine Spur von überlebtem Rassismus bei dem Postulat der Eingliederung dieser "Auch-Menschen" samt ihrer "Andersartigkeit" in den Volkskörper von Rußlanddeutschen, niederrheinischen Großkapitalisten, bayerischen Zuerwerbsbauern und polnischen Ruhrkumpels, die die deutsche Volksseele eint. Von minderwertigem Erbgut und verwerflichem Charakter muß gar nicht erst die Rede sein, um die Anpassung von Ausländern an deutsche "Verhaltensweisen" als eine einzige Wohltat für die Kanaken zu behaupten. "Wir" bringen nämlich Achtung auf für "unsere ausländischen Gäste", und "wir" haben Verständnis für deren "Probleme" bei der "Integration". Nicht "wir", geschweige denn der deutsche Staat, sind es schließlich, die dem ausländischen Menschenmaterial vorschreiben, wie es benützt werden soll und wie es sich aufzuführen hat. Sondern der Ausländer selbst:

DIE LAGE DER AUSLÄNDER VERLANGT NACH "ASSIMILATION"

Da der "ausländische Arbeitnehmer" mit seiner türkischen Volksseele in deutschen Fabriken seinen Lebensunterhalt verdient, wo doch die türkische Armut seine Heimat ist, muß ihm nämlich die Lage erscheinen als "gekennzeichnet durch außerordentliche Diffusität, Widersprüchlichkeit und Undefiniertheit". Ohne seinen Staat fehlt dem Menschen die Orientierung, die er so dringend braucht, weshalb die Unterordnung unter den deutschen Staat auch das Beste ist, was einem Türken mit seinen Erkenntnisproblemen passieren kann. Ihrer neuen Heimat und ihrer eigenen Identitätsausbildung sind die Ausländer einige "Assimilationsleistungen" schuldig:

Die sollen gefälligst Deutsch lernen! Nein, Entschuldigung, gemeint ist die "Dimension" der "kognitiven Assimilation als Erwerb relevanter Fertigkeiten (u.a. Spracherwerb)".

Die sollen sich nicht immer abkapseln, sich auf Bahnhöfen herumtreiben und die Deutschen mit Knoblauchgestank vertreiben! Halt, keine Zitatfälschung. Gemeint war die "Dimension" "soziale Assimilation als Aufnahme von inter-ethnischen Kontakten".

Die sollen endlich für die deutsche Nationalmannschaft sein, an den in der BRD gebräuchlichen Allah glauben, mehr Ehrfurcht vor der deutschen Fahne zeigen und überhaupt - wenn sie schon mal hier sein dürfen, sollen sie doch endlich mal die Bundesrepublik lieben lernen! Im "Klartext"; es geht um die "Dimension" "identifikative Assimilation als die Identifikation mit Teilbereichen und Symbolisierungen des Aufnahmelandes".

Das ist doch wirklich das mindeste, was die "diffuse Lage" von ihnen erwarten kann und was die deutsche Politik mit Fug und Recht als Ausweisungsgrund nicht "integrationsfähiger" Ausländer hernehmen darf.

DIE PSYCHOLOGISCHE NATUR DES MENSCHEN VERLANGT

NACH AUSWEISUNG VON AUSLÄNDERN

Weit darüber hinaus, gegen Türken und Itaker zu hetzen und Rassismus zu predigen, verschaffen moderne Rassisten dem Rassismus ein wissenschaftlich-neutrales Gütesiegel. Erstens soll es sich dabei nämlich nicht um eine politische Praxis handeln, sondern um ein bloßes Problem der Einstellung, um ein Vorurteil; zweitens darf man aber auch so etwas nicht einfach verwerfen: "Fremdenscheu" und "normerhaltende Aggression" sind nämlich "Universalien menschlichen Sozialverhaltens". Es gibt Rassismus, also muß es ihn geben, also verdient er auch, weil er zum Menschen seiner Natur und nicht seiner Staatsbürgematur nach dazu gehört, einen freundlichen Namen und gleich noch eine positive Funktion dazu: "Xenophobie" hat ihren tieferen gesellschaftlichen Sinn. Die deutsche Herrenrasse fordert nicht Art-, sondern "Normerhaltung". Schwarze Haare, Kopftücher und Schlitzaugen mitten unter uns - da muß "auch" der Deutsche "scheu" werden, "fremdeln" und sich "abgrenzen". Ordnung muß schließlich sein, wo kämen wir sonst denn hin! So kritisieren intellektuelle gute Deutsche ihren Staat, der den "Treibsand der Permissivität" (verboten gehört es, das Ausländerpack!) ausstreut, mit "harten psychologischen Tatsachen, die politisch nicht zur Disposition stehen", an die er sich also gefälligst zu halten hat. Im wohlverstandenen Interesse der Ausländer, versteht sich, denen das "Universalium" von "Fremdenscheu" nicht, der Rausschmiß durch den deutschen Staat umso mehr zuzumuten ist. So setzen sie sich bei ihrer Propaganda staatlichen Zuschlagens von allzu primitiven "Ausländer-raus"-Kommentaren der BILD ab und sind überhaupt unheimlich ausländerfreundlich:

"Innere Distanzen zu ethnisch Andersartigen können im übrigen mit einem hohen Respekt für diese Andersartigkeit verbunden sein, ohne daß daraus die Bereitschaft zu folgern wäre, deren Ausdrucksformen täglich erleben zu wollen."

Ausländer stinken schließlich - Hut ab, nicht schlecht.

DIE NATIONALE NATUR DES AUSLÄNDERS VERLANGT NACH SEINER AUSWEISUNG

Demokratische Rassisten verkünden nicht einfach den staatlichen Willen zur Ausweisung von Ausländern, sondern sie entdecken ein Recht beim Ausländer - natürlich nicht auf Rausschmiß, sondern auf seine "Identität", und zwar da, wo er hingehört. Die Natur des Ausländers paßt einfach nicht in die deutschen Lande, sie ist geeignet, "Fremdenscheu", Mord und Totschlag zu provozieren - ein "generatives Verhalten" wie die Karnickel (woran sich die deutsche Mutter ein Beispiel nehmen sollte), "kriminelle Neigungen", die eine "soziale Zeitbombe" darstellen, Mangel an den "für ein Leben in Westeuropa unerläßlichen Industrietugenden Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit". Unter dem Titel der "kulturellen Identität" wird alles das jedoch geachtet und gelobt - als das Recht des Ausländers, sich bei seiner Natur, seinen Nationaltugenden, also gefälligst bei sich zuhause, bedingungslos wohlzufühlen.

Darin ist der selbstgerechte BRD-Nationalismus dann auch sehr selbstkritisch: Haben "wir" den Ausländern nicht zuviel abverlangt mit unserer Vorstellung der Möglichkcit der "Integration" "ethnisch Andersartiger"? Kann denn so einer überhaupt so werden wie "wir"? Höchste Zeit, dem Ausländer gerecht zu werden - durch die Verpflichtung darauf, seine Minderwertigkeit in einem Staat auszutoben, der für ihn genau der richtige ist. Heimisches Elend und heimische politische Verfolgung - da freut sich die "Identität"!